Parteizwist: Linke Grüne lecken ihre Wunden

Der linke Flügel der Grünen-Fraktion reagiert geschockt über die Wahl des Vorstands, der nun von Realos dominiert wird. Wie es weitergehen soll, wissen die Linken noch nicht.

die Kluft bei den Grünen wird tiefer Bild: AP

Einen Tag nach der Wahl des Fraktionsvorstands mögen es die Linken bei den Grünen noch immer nicht fassen. "Das war kein integratives Signal", ärgert sich Dirk Behrendt, der Wortführer der linken Gruppe, der bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 in Kreuzberg ein Direktmandat holte. "Dass die uns rausgedrängt haben, war ein politischer Fehler."

"Die" - das ist die Realo-Mehrheit der 23 Mitglieder zählenden Fraktion im Abgeordnetenhaus. Und "rausdrängen" ist, was bei der Fraktionswahl am Dienstagnachmittag geschah. Bis auf Anja Schillhaneck, die zu den moderaten Linken zählt, haben die Realos im fünfköpfigen Fraktionsvorstand den Durchmarsch angetreten.

Auch der 36-jährige Behrendt, der bei der letzten Wahl mit 12 Stimmen einen Vorstandsposten ergattern konnte, unterlag diesmal. An seiner Stelle zieht der Realo Michael Schäfer in das Führungsgremium ein. Der 35-Jährige hatte sich in der Vergangenheit als Umweltpolitiker einen Namen gemacht.

Doch nicht nur die Fraktion ist gespalten, sondern auch der Landesverband. Barbara Oesterheld, eine der beiden Landeschefinnen, zeigte sich über die Wahl enttäuscht. "Ich hätte mir gewünscht, dass der Fraktionsvorstand das ganze Spektrum repräsentiert." Oesterheld führt den Landesverband zusammen mit Irmgard Franke-Dressler, die zum Realo-Flügel gehört.

Hinter dem Wiederaufflammen der Flügelkämpfe steckt die Frage nach einer schlagkräftigen Oppositionsstrategie. Insbesondere Fraktionschef Volker Ratzmann hat die Grünen auf eine gemeinsame Oppositionspolitik mit CDU und FDP eingeschworen. Zuletzt hatte er wegen mehrerer Justizpannen die SPD-Justizsenatorin Gisela von der Aue scharf kritisiert. Das war in der Fraktion nicht nur auf Zustimmung gestoßen.

Für die Parteilinke ist "Jamaika" - ein schwarz-grün-gelbes Bündnis - der falsche Weg. "Die Oppositionspolitik in der letzten Legislaturperiode war kritisch, konstruktiv, kreativ. Diese Äquidistanz gegenüber SPD und CDU hatte Erfolg", erinnert Behrendt. Für ihn ist Jamaika auch ein Stück Beleidigtsein über die Ablehnung der Grünen durch die SPD und deren erneute Koalition mit der Linkspartei. "Aber Beleidigtsein ist keine politische Strategie", so Behrendt.

Doch auch die Realos können nicht zufrieden sein. Anders als noch vor der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus ist ihnen mit den Linken eine Konkurrenz entstanden, die längst überwunden schien. Das zeigt sich am schlechten Ergebnis von Fraktionschef Ratzmann. Er erhielt nur 13 Stimmen. Warum sich die Wut der Linken ausgerechnet auf ihn konzentrierte, erklärt ein Linker so: "Ratzmann ist der, der die Absprachen mit Pflüger und Lindner trifft." Auch das Nudelessen mit CDU- und FDP-Fraktionschef haben viele dem eigenen Vorsitzenden nicht vergessen. In der Vorbereitung zur ersten "Berlin-Konferenz" von CDU, Grünen und FDP trafen sich die Oppositionsführer zum Essen - und verprassten 1.400 Euro .

Wie es weitergeht, wissen die linken Grünen noch nicht. "Eine Strategie müssen wir erst noch entwickeln", so Behrendt. Aber auch den Realos dürfte klar sein, dass sie mit fortgesetzter Jamaika-Politik den Keil in die Fraktion nur tiefer treiben. UWE RADA

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.