prozess gegen antifa: Linker will keine Neonazis hauen

Ein wegen Körperverletzung angeklagter Linker beteuert vor Gericht seine Unschuld. Seine Anwälte zweifeln an den Aussagen der zwei Neonazi-Kläger.

Vor dem Amtsgericht Tiergarten stehen sechs Polizeiwagen, der Flur vor dem Verhandlungssaal ist mit Absperrgittern eingezäunt, ein Dutzend Polizisten sichert die Eingänge. "Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, damit im Gerichtsgebäude nicht das passiert, was heute verhandelt wird", erklärt ein Gerichtsdiener. Er meint damit gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Linksradikalen. Dem Antifaschisten und Gewerkschafter Matthias Z. wird vorgeworfen, im November 2006 zwei bekannte Neonazis in Lichtenberg angegriffen zu haben. Der Prozess hat am Donnerstag begonnen.

Trotz Observation, Telefonüberwachung und DNA-Analyse ist der einzige Beweis gegen Matthias Z. die Aussage der beiden Geschädigten. Stefanie P. und Sebastian Z. wollen den 22-Jährigen trotz Vermummung unter den Angreifern erkannt haben. Mit einem selbst geschossenen Porträtfoto von Matthias Z. meldeten sie sich kurz nach der Tat bei der Polizei.

Im überfüllten Gerichtssaal äußerte sich Matthias Z. erstmals zum Verfahren. Er gab den Besitz eines verbotenen Teleskopschlagstocks zu, der bei der Durchsuchung seiner Wohnung gefunden wurde, beteuerte jedoch, mit der ihm vorgeworfenen Körperverletzung nichts zu tun zu haben. Die Waffe kommt als Tatwerkzeug ohnehin nicht infrage.

Anschließend verlasen seine drei Anwälte eine Erklärung, in der sie auf brisante Details der Ermittlungen hinwiesen. Demnach versuchte ein anderer Neonazi bereits zwei Wochen vor der Auseinandersetzung in Lichtenberg, Matthias Z. anhand des gleichen Fotos anzuzeigen, das auch die beiden verprügelten Rechtsextremisten der Polizei vorlegten. Als auffallend bezeichnete Z.s Anwalt, dass dies genau einen Tag nach der Akteneinsicht in ein laufendes Verfahren gegen seinen Mandanten geschah. In der Akte wird Matthias Z. als Hauptbelastungszeuge gegen den Rechten genannt. Auch Stefanie P. habe bereits vor Gericht eine offensichtliche Falschaussage gemacht und damit einem angeklagten Rechtsextremisten ein Alibi verschafft.

Es folgte die Befragung eines Streifenpolizisten, der die beiden Rechten direkt nach der Tat im Krankenhaus vernommen hat. Er schilderte, dass die Geschädigten zwar über mögliche Täter diskutierten, der Polizei dazu jedoch nichts sagen wollten. "Ich hatte das Gefühl, die wollten die Sache wohl selber klären", so der Beamte.

"Anhaltspunkte für die Unglaubwürdigkeit der Aussagen der beiden Geschädigten drängen sich geradezu auf", sagte Rechtsanwalt Daniel Wölky der taz. Antifagruppen gehen davon aus, dass es sich um eine gezielte Racheaktion der rechten Szene handeln könnte. "Diese Aussagen sind völlig zweifelhaft", sagt auch Sevim Dagdelen, die für die Linke im Bundestag sitzt und beim Prozess anwesend war. Das Gericht müsse berücksichtigen, dass es Strategien von Neonazis gebe, Menschen, die sich gegen rechts engagieren, gezielt durch Anklagen einzuschüchtern und zu diffamieren, so Dagdelen.

Schon morgens hatten sich vor dem Gerichtsgebäude rund 50 Linke zu einer Kundgebung eingefunden. Auf Transparenten forderten sie "Freispruch für Matti". Zu den von der Polizei befürchteten Begegnungen mit Rechtsextremen kam es jedoch nicht. Kurz vor Beginn der Verhandlung fuhr lediglich eine Gruppe bekannter Neonazis in einem Mietwagen am Gebäude vorbei, um die Demonstranten zu fotografieren. Die Polizei griff aber schnell ein und stoppte die Hobbyfotografen. Der Prozess wird am kommenden Donnerstag mit der Befragung der beiden Geschädigten fortgesetzt.

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