Matheprüfungsskandal: Matheprüfung sogar in China

Das Verwaltungsgericht stärkt der Schulverwaltung den Rücken: Die zentralen Matheprüfungen in der zehnten Klasse müssen wiederholt werden. Selbst Klassen auf Auslandsreise sollen mitschreiben.

Auch am Donnerstag demonstrierten Schüler und Schülerinnen gegen die Wiederholung der Matheprüfung Bild: DPA

Selbst Klassenreisen sind kein Hinderungsgrund. "Dann wird die Klausur eben in den Räumen der Deutschen Botschaft in China wiederholt", sagt Kenneth Frisse, Sprecher der Senasschulverwaltung. Es gibt also kein Entkommen. Alle 28.000 Berliner Zehntklässler müssen die Mathematikklausur für den mittleren Schulabschluss (MSA) wiederholen. Am Donnerstag wies das Verwaltungsgericht die Eilanträge von zwei Schülern zurück. Sie wollten per einstweiliger Verfügung erreichen, dass die am 11. Juni abgelegte Mathematikprüfung nicht wiederholt werden muss.

Die entsprechende Anordnung der Schulverwaltung sei rechtmäßig, weil eine unbekannte Zahl von Schülern andernfalls zu gute Noten bekäme und das Leistungsbild insgesamt verfälscht werde, urteilten die Richter. Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) bekräftigte nach dem Urteil, dass die Klausur am kommenden Montag wiederholt wird. Allerdings sind bis dahin noch logistische Probleme zu lösen. Einige Klassen sind dann auf Klassenfahrt, andere haben Projekttag. "Das ist im ausgehenden Schuljahr immer so, wenn die inhaltliche Arbeit beendet ist", sagt Maximilian Wolter, Sprecher des Landeschülerausschusses. Das Problem sei Zöllner "überhaupt nicht bewusst gewesen", sagt Wolter, der am Mittwoch den Schulsenator getroffen hat.

Wolters Information führte im Hause Zöllner zu hektischer Betriebsamkeit. Sprecher Frisse bestätigte, dass alle Wandertage und Klassenfahrten abgefragt werden. Von einer Klasse sei bekannt, dass sie in China weile. "Wir werden versuchen, in allen Fällen eine Lösung zu finden."

Betroffen von der Regelung sind die Zehntklässler von insgesamt 346 Schulen. Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts bestätigte, dass bei dem ersten Test am 11. Juni massiv geschummelt wurde. Die Aufgaben seien "einer großen Zahl von Schülern an mindestens 69 Schulen" bekannt gewesen. Einige Schüler hätten zugegeben, dass ihnen die Aufgaben zum Teil schon zwei Wochen vor dem Prüfungstermin angeboten worden seien. Während der Prüfung seien unter anderem auch in Schultoiletten Lösungshinweise gefunden worden. Auffällig viele und besonders auch schwächere Schüler hätten ihre Arbeiten vorzeitig beendet. Bei erster Durchsicht der Klausur seien teilweise deutlich bessere Ergebnisse als bei früheren Klassenarbeiten festgestellt worden.

Im Schulausschuss des Abgeordnetenhauses sagte Zöllner am Donnerstag, die Aufgaben seien in allen Bezirken "im Internet, auf der Straße, im Schulgebäude und per Handy kostenfrei und auch gegen Geld" angeboten worden. Den Ärger der Schüler, die Arbeit wiederholen zu müssen, könne er verstehen. Aber er habe keine andere Wahl. Zöllner rief alle Schüler auf, sich an der zweiten Prüfung zu beteiligen. "Wer sich verweigert, schadet sich nur selbst", sagte er, nannte aber keine Konsequenzen.

Das Verwaltungsgericht befand: Dass die Prüfung unter einwandfreien und damit fairen Bedingungen wiederholt werde, liege "gerade im Interesse der Schüler, die von sich behaupteten, die Aufgaben nicht gekannt zu haben".

Am Donnerstag demonstrierten 300 Schüler erneut gegen die Wiederholung der Prüfung. Sie postierten sich am Nachmittag vor dem Abgeordnetenhaus und riefen unter anderem "Zöllner raus". Schüler der Luise-und-Wilhelm-Teske-Schule Schöneberg berichteten, dass sie ihre Projektwoche ausfallen lassen mussten, um sich auf die neuerliche Prüfung vorzubereiten. Schüler von der Otto-Hahne-Oberschule erzählten, dass Mitschüler nicht an einer Reise in die Türkei teilnehmen konnten. "Die Flüge waren schon gebucht." Ein Jugendlicher regte sich darüber auf, dass Schüler in seiner Klasse verdächtigt wurden, gemogelt zu haben, weil ihre MSA-Prüfung besser war als andere Klausuren. "Wir haben viel gelernt", sagte er.

Einige Demonstranten machten sich vorzeitig auf den Heimweg. Sie müssten lernen, sagten sie - und das bei dem schönen Wetter. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: Die Kläger haben beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt.

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