Stadtentwicklung: Mediaspree versinkt

Viele Bauvorhaben am Spreeufer finden einfach keine Investoren - für Unternehmen wie die Bar 25 könnte das die Rettung sein. Sogar der Senat fordert inzwischen "Nischen der kreativen Szene".

Investoren gesucht: Die Spree zwischen Kreuzberg und Friedrichshain Bild: DPA

Eigentlich ist Juval Dieziger der Prototyp eines erfolgreichen Unternehmers. Innerhalb von fünf Jahren entwickelte er mit einigen Freunden aus der alternativ-hippiesken "Bar 25" an der Spree ein erfolgreiches Unternehmen mit Club, Restaurant, Kino und Hostel. Über 100 Arbeitsplätze seien so entstanden, erzählt Dieziger stolz. "Wir schreiben schwarze Zahlen und sogar Magazine in Japan berichten über uns." Doch in wenigen Tagen soll alles vorbei sein: Die Berliner Stadtreinigung (BSR) als Eigentümer des Grundstücks hat den Zwischennutzern gekündigt. "Dabei gibt es gar keinen Investor, der bauen will", so Dieziger.

Aber es gibt einen gültigen Bebauungsplan für ein Hochhaus sowie weitere Bürobauten mit insgesamt über 80.000 Quadratmeter Fläche. Einen einen Käufer sucht die BSR seit Jahren vergebens. Nun möchte Lothar Kramm, Finanzvorstand der BSR, die notwendige und "mehrere Millionen Euro teure Bodensanierung" des Grundstücks selbst in die Hand nehmen, um das Angebot attraktiver zu machen. Denn laut Kramm steht die Immobilie mit einen "guten zweistelligen Betrag in den Büchern der BSR". Für Dieziger ist es absurd, dass jetzt das international tätige Maklerbüro Jones Lang LaSalle "sogar in China und Korea nach einem Investor sucht".

Ebenso absurd wie die rund 31 Millionen Euro für das Gelände, von denen die BSR weiterhin träumt. Die nebenan gelegenen und jahrelang leerstehenden Trias-Bürobauten wurden gerade für einen Preis, der kaum die Kosten deckt, an die BVG vermietet. Dass es einfach keinen Bedarf an weiteren Büroflächen in der Stadt gibt, will Kramm noch nicht einsehen. So wird man sich am Freitag vor dem Berliner Landgericht treffen. Rein juristisch gesehen hat die "Bar 25" wenig Chancen, weil es sich um einen Gewerbevertrag handelt, der in den üblichen Fristen kündbar ist. Dieziger hofft so auch eher auf die Politik, denn die BSR ist ein landeseigener Betrieb.

Doch auch im "Sonderausschuss Spreeraum" des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg kam man sich bislang nicht näher. Dort versuchen vier Bürgerdeputierte der Initiative "Mediaspree versenken" mit neun Vertretern der BVV sowie Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) im 14-tägigen Rhythmus neue Lösungen für den Spreeraum zu finden. Denn im Sommer hatten sich beim Bürgerentscheid 87 Prozent für einen 50 Meter breiten öffentlichen Uferstreifen an der Spree sowie gegen weitere Hochhäuser und neueAutobrücken ausgesprochen - und damit gegen die hochtrabenden Pläne des Senats an der Spree.

Aber schon vor dem Bürgerentscheid wackelten viele der Planungen. Und nun gibt Schulz auf fast jeder Sitzung bekannt, dass ein weiterer Eigentümer aufgibt. So verkaufte vor wenigen Wochen die Post ihr Gelände neben dem Ostbahnhof inklusive Fritzclub, auf dem sie eigentlich ein Hochhausprojekt entwickeln wollte, an "einen dänisch sprechenden Investor". Mehr weiß selbst der Bezirksbürgermeister nicht. Die städtische Behala zog vor zwei Monaten ihren Bauantrag für ein Hochhaus an der Elsenbrücke zurück. Und auch Wayss & Freytag gelang es nicht, sein Columbushaus auf dem seit Jahren vom Yaam-Club genutzten Grundstück zu entwickeln. Cato Dill, der Anwalt des neuen spanischen Eigentümers "urnova", versucht nun mit dem Bezirksamt eine Verlängerung der im Sommer 2009 auslaufenden Baugenehmigung gegen einen neuen Zwischennutzungsvertrag für das Yaam herauszuhandeln. Selbst der städtische Liegenschaftsfonds sieht sich an der Schillingbrücke auf seinem bisher unverkäuflichen und vom Club Maria am Ostbahnhof zwischengenutzten Gelände mit neuen Plänen des Bezirksamts konfrontiert, das auf dem Grundstück lieber einen Park gestalten möchte.

Trotzdem will Bürgermeister Schulz das Projekt Mediaspree nicht generell für gescheitert erklären. "Während es beim BSR-Gelände offenbar keinen Interessenten gibt, stehen diese bei den restlichen Grundstücken am Osthafen zwischen M-TV und Elsenbrücke Schlange". Und die Anschutz Entertainment Group habe immer schon zuerst die Halle bauen, und dann das Gelände drum herum entwickeln wollen. "Dafür haben sie sich 20 Jahre Zeit genommen", so Schulz.

Das eigentliche Problem skizzierte Stefan Sihlers, Sprecher der im "Mediaspree e.V." zusammengeschlossenen Investoren, auf einer Podiumsdiskussion zu einem "Neuanfang am Spreeufer". "Keine Bank", so der Inhaber von Labels Berlin, "gibt mehr Kredite für Neubauten, bei denen nicht vor Baubeginn 50 bis 60 Prozent Vermietungen nachgewiesen sind". Und Ulla Luther, früher enge Mitarbeiterin von Senatsbaudirektor Hans Stimmann und eine Kennerin des Gebiets, beklagte das schwindende Interesse der Stadt und Investoren am Spreeraum. "Alle Kraft", so die Architektin, "fließt in das Gebiet um die Heidestraße und das Tempelhofer Flugfeld". Und ab 2012 komme noch der Flughafen Tegel hinzu.

Bei so viel Desinteresse von Oben ist es dem anfänglich von Kritikern als Alibi-Veranstaltung belächelten "Sonderausschuss Spreeraum" unter dem Vorsitz von Gumbert Salonek (FDP) gelungen, sich zum zentralen Verhandlungsort zu entwickeln. "Hier erleben die Mitglieder der BI die Eigentümer im direkten Gespräch", freut sich Schulz über die positive Atmosphäre. Dabei tagte der Ausschuss lange unter der Drohung von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), bei unliebsamen Entscheidungen dem Bezirk die Zuständigkeit für den Spreeraum zu entziehen.

Endgültig aufgewertet wurde der Sonderausschuss vergangene Woche. Da besuchten mit Geschäftsführer David Kornett und Immobilienentwickler Michael Kötter zwei hochrangige Vertreter von Anschutz den Ausschuss. "Damit brachen sie endgültig den vom Investorensprecher Sihlers ausgerufenen Boykott", freute sich Carsten Joost, Bürgerdeputierter von "Mediaspree Versenken". Allerdings blieb man sich fremd. Denn was sich die Anschutz-Group unter einem "urbanen Zentrum wie in Los Angeles" vorstellt, ist in Kreuzberg explizit nicht gewünscht, , wie die rund 50 Zuhörer lauthals betonten. Aber sei ist offensichtlich, dass "das Planwerk Innenstadt des Landes Berlin dringend modifiziert werden muss", wie Schulz auf der letzten Ausschuss-Sitzung sagte. Weg von "mehr Dichte und Höhe, hin zu weiteren Grün- und Freiflächen".

Selbst der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) forderten Ende September eine Aktualisierung der Planungen ein. Überraschend betonten sie in einem Papier "Zur Entwicklung des Spreeraums" die Bedeutung des "Experimentellen und Nicht-Kommerziellen, der Kreuzberg und Friedrichshain charakterisiert" und forderten "dauerhafte Interventionsorte" für "Nischen der kreativen Szene". Inwieweit sie dies dem Vorstand der landeseigenen BSR vorbuchstabieren, bleibt abzuwarten.

So lange wird die BI "Mediaspree Versenken" eben weitere "Prüfaufträge" stellen. Und die Abgeordneten der Linkspartei im Ausschuss benutzten schon ihren guten Draht zum direkt für die BSR zuständigen Wirtschaftsenator Harald Wolf (Linkspartei). Es müsse ja bei einem für die Bar 25 ungünstigen Prozessausgang nicht gleich geräumt werden. Sondern vielleicht erst 2010. Falls es dann einen Investor gibt.

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