kabinenpredigt: Multi-Kulti-Verein ohne Heim

Der verbindende Charakter des Fußballsports wird im Türkiyemspor ausgelebt

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel und das Sommermärchen ist, zumindest für Türkiyemspor, auch schon wieder vorbei. Am Mittwochabend erlangte der sympathische Multi-Kulti-Verein bundesweite Aufmerksamkeit. In seinem Vereinsheim am Kottbusser Tor wurde zum EM-Halbfinale ein buntes Fußballfest gefeiert. Und alle sind sie gekommen. So viele, dass die kleine Bühne, die da vor der Videoleinwand aufgebaut war, aus allen Nähten platzte. Ein Bundesminister, ein Integrationsbeauftragter des Senats, ein Integrationsbeauftragter des Berliner Fußballverbandes, ein türkischer Komiker, ein türkisches Senatsmitglied und so weiter.

Die Reihe derjenigen, die da dem Verein ihre Avancen machten, ließe sich fast unendlich weiterführen. Es war zum Halbfinale offenbar ziemlich schick, sich in deutsch-türkische Trikots zu kleiden und das Hohelied auf die Integration anzustimmen. Zumindest für die Dauer dieser einen von grenzenlosem Frohsinn und "feel good-Atmosphäre" beseelten langen Fußballnacht. Zahlreiche Kameras fingen die Bilder rund um das Vereinsheim ein und transportierten sie in die fußballbesessene Republik.

Vor nur einem Monat erst ist Türkiyemspor in die Regionalliga aufgestiegen. Das hingegen war der medialen Öffentlichkeit keine Meldung wert. Zur neuen Saison wird Türkiyemspor zudem seine Spiele nicht mehr in Kreuzberg, sondern im Stadtteil Prenzlauer Berg austragen müssen. Schon seit Jahren kämpft der Verein im Senat um eine eigene Platzanlage. Ein Gelände mit einem vernünftigen Rasenplatz, einem eigenen Kabinenbereich und einem Vereinsheim. So wie es jeder Verein hat. Bisher blieb die Suche ohne Erfolg. So irrt Türkiyemspor von Platz zu Platz durch die Stadt.

Es ist bewundernswert, wie leidensfähig und gleichzeitig erfolgreich sich dieser Verein durch diesen grauen, oft auch von Rassismus geprägten Fußballalltag kickt. Nur will das kaum jemand wissen. Nicht vor der EM und nachher auch nicht.

Die Einladung von Türkiyemspor zu seinem Fußballfest in der Admiralstraße endete mit einem Veranstaltungshinweis. "Am Sonntag wird von Türkiyemspor die Mini Kick- Integrations EM im Lichterfelder Stadion durchgeführt. Im Rahmen des Events treten E-Jugendteams von Berliner Vereinen in den Farben der EM-Teilnehmer gegeneinander an und spielen die EM nach. Im Vordergrund dieses Events steht neben sportlicher Betätigung der verbindende Charakter des Volksports Fußball." Doch wer hat das eigentlich noch gelesen? Torsten Haselbauer

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.