Niederländisch-neuköllnische Integration: Muslimischer Moraldemokrat in Neukölln

Am Donnerstag trifft Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb seinen Kollegen Heinz Buschkowsky in Berlin-Neukölln. Beide kämpfen mit ähnlichen Problemen: Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Armut.

Von Holland lernen: Wachschutz vor der Rütli-Schule in Neukölln. Bild: AP

So ähnlich die Orte sind, denen sie vorstehen, so verschieden sind die beiden Ortsvorsteher auf den ersten Blick: Ahmed Aboutaleb (47), seit Oktober Bürgermeister der niederländischen Stadt Rotterdam, und Heinz Buschkowsky (60), Neuköllner Bürgermeister seit 2001. Beide kämpfen mit den gleichen Problemen: Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Armut. Armut, die "eine Farbe zu bekommen droht", wie Aboutaleb sagt. Die Hälfte der Bevölkerung Nordneuköllns hat Migrationshintergrund - ebenso in Rotterdam.

Aboutaleb, der zwei Pässe besitzt, wurde als Sohn eines Imams im marokkanischen Rif-Gebirge geboren. Mit 15 Jahren emigrierte er in die Niederlande. Dort verwirklichte er seine Version des holländischen Traums: Nach der Schule war er zunächst Journalist, ab 2004 dann Senator in Amsterdam für die sozialdemokratische Partei der Arbeit. Drei Jahre später wurde er Staatssekretär für Sozialangelegenheiten. Im Oktober 2008 ernannte Rotterdam den praktizierenden Muslim zum Oberbürgermeister - ausgerechnet in der Hochburg des ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn. Buschkowsky, in Neukölln geborener Sohn eines Schlossers und einer Sekretärin, dient seit über 30 Jahren seinem Bezirk.

Doch es gibt durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den beiden. Buschkowsky sorgte 2004 für Aufregung mit seiner Erklärung, Multikulti sei "gescheitert". Aboutaleb verkündete im selben Jahr nach dem Mord an dem islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh: Marokkaner, die mit dem Mörder sympathisierten, sollten "lieber ihre Koffer packen". Beide sind Sozialdemokraten. Und stolz darauf, in der Integrationsdebatte Ross und Reiter zu benennen.

An diesem Donnerstag wird sich Aboutaleb mit Buschkowsky das Neuköllner Projekt "Stadtteilmütter" sowie den Campus Rütli anschauen. Der Besuch ist eine Antwort auf die Rotterdam-Reise Buschkowskys im vergangenen Jahr. Hatte er in Interviews mehrere Male vor drohenden "Rotterdamer Zuständen" in Neukölln gewarnt, so zeigte sich Buschkowsky nach seiner Rückkehr begeistert vom dortigen Vorgehen. So lobte er etwa die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Sozialarbeitern und Wohnungsbaugesellschaften bei der Bekämpfung sozialer Probleme. Aber auch die Sozialarbeiter in Ganztagsschulen sowie die Möglichkeit für Eltern, dort Sprachkurse zu besuchen, inspirierten ihn.

Dabei ist Buschkowsky trotz seines Rufs in Berlin immer noch so etwas wie die Lightversion Aboutalebs. Viele von dessen Ideen hören sich wenig sozialdemokratisch an. So schlug er vor, Frauen, die eine Burka tragen, die Sozialhilfe zu streichen. Sein Motto: "Burka aus und bewerben". Als Sozialstaatssekretär verteidigte er das Streichen des Rechts auf Sozialhilfe für Jugendliche bis 27 Jahren. Ein anderes Steckenpferd sind die nicht angekündigten Durchsuchungen bei Sozialhilfeempfängern. Als Staatssekretär weigerte sich Aboutaleb trotz Gerichtsentscheids, diese zu beenden.

Innerhalb seiner Partei gehört er damit zu den prominentesten Vertretern einer Gruppe eher autoritärer, konservativer "Moraldemokraten". Statt auf sozialökonomische Maßnahmen zu setzten, bauen sie auf Werte wie Law and Order, Fleiß und Anstand. Bezeichnend ist die Reaktion einiger Vertreter der von Fortuyn gegründeten rechtspopulistischen lokalen Partei Leefbaar Rotterdam auf seine Ernennung: Sie sprachen sich dagegen aus. Später hieß es dann allerdings, Aboutaleb setze das Programm der Partei um.

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