Rotes Gedenken: Neue Schuhe für Rosa und Karl

Mit ein wenig Kampfesstimmung und ein wenig Volksfestnostalgie kommt das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht daher.

Rote Nelken für Rosa Luxemnburg Bild: Reuters

Echte Demonstrationsgefühle, solche, wo das Pathos die Demonstrierenden erhebt, sind selten geworden. Umso größer die Überraschung: Denn auf der Gedenkveranstaltung zum Todestag von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die vor 89 Jahren ermordet wurden, ist etwas davon zu spüren.

Die roten Fahnen, die geschwenkt werden, machen den Wintertag lebendig. Dazu ertönen Ernst Buschs Arbeiterlieder, die sich mit live spielenden Blaskapellen mischen. So verbinden sich Widerstandsmelodien und Marschrhythmus. "Drum links, zwei, drei, drum links, zwei, drei, wo dein Platz, Genosse, ist" "Eines Morgens, in aller Frühe, o bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao" Entschlossene skandieren dazu Slogans. "Diebe, Räuber, Deutsche Bank, der Hauptfeind steht im eignen Land " - Was braucht es mehr, um Demonstrationsnostalgie zu wecken? Denn über allem hängt zudem ein azurblaue Himmel. "Man denkt uff eenmal, dit hier ist Rom und nicht Lichtenberg", sagt einer, dem die Sonne grell ins Gesicht scheint, als er die Leute auf der Frankfurter Allee an sich vorbeiziehen lässt.

Zehntausende Menschen gehen am Sonntagmorgen zum Sozialistenfriedhof in Friedrichsfelde. Die, die mitlaufen, wirken entschlossen. Zumindest am Anfang der Demo. "Luxemburg, Liebknecht, Lenin - niemand ist vergessen. Aufstehen und widersetzen", steht auf dem Banner, mit dem Menschen vor allem aus der Linkspartei den Zug anführen. Hinter ihnen werden andere Reizwörter auf Transparenten mitgetragen: "Kapitalismus", "Imperialismus", "Faschismus" - dass das nicht gut ist, darauf kann man sich verständigen. Die Fans von KPD, DKP, MLPD und etlichen türkischen, griechischen, kurdischen, schwedischen, italienischen Bruderorganisationen lassen keinen Zweifel daran. Die Falken, die Linke, die GEW auch nicht.

Gestandene Leute sind es. Lebensspuren zeichnen sich in ihren Gesichtern ab. Frischer kommen die Rebellen von www.rebell.de und die Menschen von der "Sozialistischen Feuerwehr", soll heißen der Sozialistischen Jugend daher. Selbst die Rotfüchse - die Kinderorganisation der Rebellen - geben sich entschlossen. "Wir kämpfen für unsere Zukunft", steht auf ihrem Transparent. Kämpfen - ein großes Wort.

Allerdings sind nicht nur die "organisierten Kräfte" da. Ein Großteil der Demo sieht mehr nach Antifa und Schwarzem Block aus. Sie sind gekommen, weil ein Gerücht umgeht: Die NPD - im Lichtenberger Kiez gut verankert - wolle mit der Behauptung, die Ermordung von Liebknecht und Luxemburg hätte dem Demokratieerhalt gedient, ebenfalls auf die Straße gehen, heißt es. "Gegen Nazis", steht auf den Fahnen der Antifas. Eine Frau hält ein Schild in die Luft: "Kommunismus - ich will ein Kind von dir", steht darauf.

Die mit den roten Fahnen, können ihr Begehren klarer personifizieren. Neben Lenin, Stalin und Che Guevara sind Liebknecht und Luxemburg die unangefochtenen Ikonen. Zu Luxemburg haben alle was zu sagen: "Selbstbewusst", meint eine Chemnitzerin. "Gegen Faschismus", sagt ein Antifa. Und einer, der seit einem Vierteljahrhundert der MLDP treu ist, weiß zu Protokoll zu geben: "Sie hat selbstkritisch festgestellt, dass sie die KPD zu spät gegründet hat."

Später, als es durch die engen Straßen in Alt-Lichtenberg geht, verliert sich das Vorwärtsdrängende. Nun wird die Demonstration zu einem Spaziergang in Pilgerstimmung. Rote Nelken gibt es am Straßenrand, verkauft von Menschen mit asiatischen Gesichtszügen. Dazu Bockwurst, Glühwein, Agitation. Jemand sammelt Spenden für die Opfer von Agent Orange. Jemand, der sich Blasen gelaufen hat, zählt auf, was alles neu ist: "Neue Einheit. Neues Deutschland. Neue Schuhe."

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