Berliner Armutskonferenz startet am Samstag: "Niemand muss arm sein"

Die evangelische Kirche veranstaltet am Samstag die "Berliner Armutskonferenz". Frank Steger vom kirchlichen Arbeitslosenzentrum Balz findet, dass das Engagement der Kirchen nicht ausreicht.

Das Problem der Armut spitzt sich zu Bild: DPA

Die evangelische Kirche, das Diakonische Werk und mehrere kirchliche Einrichtungen beschäftigen sich am Sonnabend in Charlottenburg auf einer Konferenz mit Armut in Berlin. Das Motto: "Ihr seid das Salz der Erde." Sozialstaatssekretärin Petra Leuschner (Linke) soll berichten, was der Senat gegen Armut unternimmt. In Arbeitsgruppen wird anschließend diskutiert: Was machen die Kirchen für arme Menschen jenseits der Almosen-Diakonie? Kann Altersarmut verhindert werden? Wie funktioniert der Öffentlich geförderte Beschäftigungssektor? Und wie können mittellose Menschen in Würde begraben werden? Die Fachkonferenz findet nach 2007 zum zweiten Mal statt. ALL

taz: Herr Steger, die Finanzkrise schlägt langsam auch auf den Arbeitsmarkt durch. Lädt die evangelische Kirche deshalb am Wochenende zur Berliner Armutskonferenz?

Frank Steger: Wir stellen seit Jahren fest, dass sich das Problem der Armut in Deutschland, aber gerade auch in Berlin zuspitzt. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise haben wir nun Sorge, dass bald noch weitaus größere Probleme auf uns zukommen. Deshalb wollen wir alle unsere Aktivitäten bündeln.

Was hat die evangelische Kirche Berlinern mit wenig Geld zu bieten?

Im Bereich der Diakonie machen wir seit Jahrzehnten armutsorientierte Arbeit. Wir betreiben Beratungsstellen, Treffpunkte, Kleiderkammern und Essensausgaben. Jetzt stellen wir allerdings fest, dass das nicht reicht, dass wir noch mehr machen müssen.

Inwiefern?

Wir müssen deutlicher unsere Stimme erheben. Ein Programmpunkt der Konferenz heißt: "Jenseits der Almosen-Diakonie". Da soll es eben genau darum gehen, dass die Kirche im Bereich der individuellen Hilfe und der Barmherzigkeit sehr stark ist. Sie hat aber gewisse Schwächen, öffentlich politischen Druck auszuüben. Darauf wollen wir in der nächsten Zeit stärker Gewicht legen.

Was ist Ihre Kritik?

Wir gehen davon aus, dass niemand arm sein muss, wenn die Gesellschaft es nicht will. Die Arbeitslosenzahlen müssten nicht so hoch sein, wie sie sind. Wenn man sich ansieht, wie die Regierung jetzt Banken und Unternehmen rettet, da werden Milliarden Euro bereitgestellt. Mit einem Bruchteil des Geldes könnte man auch in der Armutspolitik ganz andere Dinge bewegen.

Was macht der rot-rote Senat Ihrer Meinung nach falsch?

Zurzeit sehen wir in Berlin ein Problem bei der Höhe der erstatteten Wohnkosten für Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger. Der Senat hat erst kürzlich die Mietgrenzen für Single-Haushalte um 5 Prozent angehoben. Aber Familien bleiben außen vor. Viele von ihnen sparen sich das Geld für die Miete vom Mund ab. Mittelfristig besteht zudem die Gefahr, dass sie aus ihren angestammten Bezirken in billigere Gegenden umziehen müssen. Es drohen Wanderungsbewegungen, die Menschen werden entsprechend ihrer Einkommenshöhe auf verschiedene Stadtteile verteilt. Will der Senat das verhindern, muss er die Richtwerte flächendeckend erhöhen.

Wenn es um den Umgang mit Arbeitslosen geht, verweist Rot-Rot gerne auf den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS).

Der ist meiner Meinung nach tatsächlich eine richtige Antwort auf die Entwicklungen. Bisher ging es in der Arbeitsmarktpolitik immer darum, die Erwerbslosen wieder in feste Stellen zu bekommen. Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass es für alle Menschen eine Perspektive am ersten Arbeitsmarkt gibt. Wir brauchen einen gemeinnützig orientierten zweiten Arbeitsmarkt wie zum Beispiel den ÖBS, der Langzeitarbeitslosen auch dauerhafte sozialversicherte Beschäftigungen bietet.

Ein weiteres Thema auf der Konferenz: "Arbeitslose und Arme machen mobil." Ist das denn so?

Leider nicht. Viele Betroffene engagieren sich nicht so für ihre Belange, wie es eigentlich notwendig wäre. Erwerbslose und arme Menschen sind noch keine wirkliche politische Kraft.

Was wollen Sie denn machen, damit es auf der Konferenz nicht nur bei warmen Worten bleibt?

Wir werden am Ende eine Abschlusserklärung mit Forderungen an die Politik veröffentlichen. Wir wollen zudem die Netzwerke verbessern, auch mit den außerkirchlichen Akteuren. Die Wohlfahrtsverbände denken zurzeit etwa darüber nach, in Berlin eine ständige Armutskonferenz einzurichten. In Brandenburg gibt es das seit Anfang Januar. Eine solche Institution könnte Wissen zusammentragen und als ständige Schnittstelle für Gewerkschaften, Sozialverbände und Kirchen dienen. Ich glaube, wir brauchen eine solche Einrichtung in Berlin, die das Thema Armut dauerhaft im Blick hat.

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