Rechtsextremismus: NPD-Arbeit gerät aus dem Blick

Seit die Rechtsextremen in den Bezirksparlamenten sitzen, fokussiert sich die Auseinandersetzung mit der Partei auf diese Parlamente.

Bild: DPA

Der Einzug der NPD in vier Bezirksparlamente vor zwei Jahren hat nach Ansicht von Experten die breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Partei geschwächt. "Seither fokussiert sich die Auseinandersetzung zu stark darauf, der NPD in den Bezirksparlamenten entgegenzutreten", so Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung. "Aber die Arbeit der NPD dort ist nur die Spitze des Eisbergs, und wir müssen uns auch um den Rest dieses Bergs kümmern", so Reinfrank: Man müsse der rechtsextremen Partei überall in den Bezirken entgegentreten.

Auch Oliver Igel, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bezirk Treptow-Köpenick, beklagt: "Das Flaggezeigen gegen die NPD hat sich aus den Vereinen in die Bezirksverordnetenversammlung verlagert." Die Demonstrationen gegen die NPD seien ein "Familientreffen der immer gleichen Aktiven", sagte Igel am Montagabend auf einer Veranstaltung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus zum Umgang mit der NPD in den Bezirken.

Nach Ansicht von Yves Müller vom Verein für Demokratische Kultur zeigen die NPD-Abgeordneten auch nach zwei Jahren "noch keine Ermüdungserscheinungen". Sie würden sich zwar nach wie vor nicht an der Arbeit in den Ausschüssen beteiligen, aber zu den Plenarsitzungen der Bezirksparlamente kommen und dort weiterhin Reden halten und Anträge einbringen. Dabei könne er auch "Kompetenzsteigerungen" bei NPD-Abgeordneten beobachten, die sich inzwischen rhetorisch und bei der Anwendung der Geschäftsordnung verbessert hätten - "wenn auch auf niedrigem Niveau".

Wenn die NPD sich rassistisch äußert oder versucht, die Geschichte des Naziregimes umzudeuten, dann können die Abgeordneten der anderen Parteien darauf inzwischen "sicher und gut" reagieren, so Müller. Wenn die NPD dagegen soziale Themen anspricht, gegen das Zusammenleben verschiedener Kulturen ist oder die Familie stärken will, dann sei der Umgang damit häufig noch unsicher, so Müller.

In Treptow-Köpenick haben die Parteien eine gemeinsame Vereinbarung gefunden, um die "Dominierungsversuche der NPD zu bekämpfen", so SPD-Mann Igel. Es gehe dabei darum, sich von der NPD nicht deren Themen aufzwingen zu lassen. Wenn die NPD etwa über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges reden möchte, könne man das zwar nicht vollständig verhindern, aber man müsse dann "nicht zwei Stunden über den Antrag reden, sondern es reichen auch zehn Minuten". Auf Redebeiträge der NPD antworte nicht jede Fraktion einzeln, sondern nur einmal ein Bezirksverordneter, und das reiche auch.

In Treptow-Köpenick sitzen sowohl der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt als auch Eckhart Bräuniger, bis vor Kurzem Chef des Berliner Landesverbandes, als Abgeordnete im Bezirksparlament. Voigt würde inzwischen unter vielen Abgeordneten auch "Toiletten-Voigt" genannt, erzählt Igel, seit er einmal mit Vehemenz mehr öffentliche Toiletten im Bezirk gefordert hatte. An welchen Orten konkret es denn an solchen Toiletten fehle habe Voigt aber nicht gewusst, so Igel.

Clara Herrmann, die für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt und dort für Strategien gegen Rechtsextremismus zuständig ist, sieht auch ein Medienversagen beim Umgang mit dem Thema: "Rechtsextremismus ist in den Medien ein Konjunkturthema, über das nur berichtet wird, wenn die NPD bei einer Wahl gewinnt oder wenn es einen Nazimord gibt." Wenn es im Bezirksparlament "eine Debatte gibt, bei der der NPD klug Paroli geboten wird, dann steht davon nichts in der Zeitung", beklagt sie. Dabei sei eine "ständige Auseinandersetzung nötig".

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