Klimawandel trifft Berlin: Lasst Zitronenbäume sprießen

Was bedeutet es für die Stadt, wenn die Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten wie erwartet im Schnitt um 2,5 Grad steigen?

Die gute Nachricht: In ein paar Jahren können auch die Berliner ihre Liebeserklärungen vor Zitronenbäumen machen. Wie romantisch! Bild: glitter feet/CreativeCommons BY 2.0 US

Berlin könnte bald mitten in einem Land liegen, in dem die Zitronen blühen. Oder verheerende Waldbrände wüten. Fest steht für die Experten des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK): In der Region werden die Temperaturen in den kommenden Jahrzehnten um durchschnittlich 2,5 Grad steigen. Damit korrigieren sie in einer jüngsten Studie ihre bisherigen Szenarien für Berlin-Brandenburg um ein Grad nach oben.

Der Temperaturanstieg ist dem PIK zufolge eine bereits jetzt nicht mehr zu vermeidende Folge des Klimawandels. Doch was für manch einen wie die Verheißung nach lang ersehnten mediterranen Verhältnissen klingt, ist für andere eine Katastrophe. Denn selbst wenn die Regierungen sich beim an diesem Montag beginnenden Klimagipfel in Kopenhagen auf eine Reduzierung der CO2-Emissionen einigen, um bis 2050 einen globalen Temperaturanstieg auf 2 Grad zu begrenzen, wird das für Berlin und Brandenburg nach Meinung der Potsdamer Forscher nicht mehr möglich sein. "Die Dramatik ist vielen Bürgern nicht bewusst", sagt Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Dabei werde die Hälfte der Berliner Bevölkerung die ökologischen und wirtschaftlichen Folgen in 40 Jahren noch miterleben.

Die Forscher sagen lange Hitzeperioden und tropische Nächte für die Region vorher. Als Großstadt ist Berlin dem Phänomen des sogenannten "Urban Heating" ausgesetzt, einer Aufheizung der Innenstadt. Das Stadtklima soll laut PIK trockener werden. Damit verbunden seien "klimatisch bedingter Stress" und erhöhte Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung. "Hitzetote wie in den vergangenen Jahren in Westeuropa werden auch wir bekommen", so Umweltpolitiker Buchholz.

Auch für Brandenburg sind die projezierten Folgen gravierend: Das Waldbrandrisiko steigt in den Kiefernwäldern um bis zu 30 Prozent. Die Spree könnte in heißen Sommern zu einem fast stehenden Gewässer werden. "Ab 2030 ist in Trockenperioden damit zu rechnen, dass der Zufluss des Berliner Gewässersystems zum Erliegen kommen kann", heißt es in einer PIK-Studie. Auch die Landwirtschaft wird starke Ernteeinbußen verzeichnen - wenn sie sich denn nicht auf den Klimawandel einstellt. "Die Landwirte müssen sich Alternativen suchen", so Hermann Lotze-Campen vom PIK. Der Agraökonom leitete die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, den Berliner Forsten und Stadtgütern in Auftrag gegebene Studie. Nach seiner Meinung könnte man vermehrt schnell wachsende und gegen den Klimawandel resistentere Baumarten angepflanzen, die als Energieholz dienen. Und: "Man kann davon ausgehen, dass sich die Bedingungen für den Weinanbau verbessern."

Die Szenarien des Potsdamer Instituts zeigen bereits Wirkung: Der geplante Spree- und Havelausbau ist gestoppt und soll - auch unter Berücksichtigung des Umweltschutzes - neu betrachtet werden. Die Forstwirtschaft will verstärkt auf Mischwälder setzen. Und in Berlin arbeitet die Senatsverwaltung an einem Stadtentwicklungsplan Klima. "Es geht darum, den Klimawandel in unsere Planung einzubeziehen", erklärt Sprecherin Manuela Damianakis.

Neue Kriterien für Flächenbebauungen würden erarbeitet. So sei es laut Damianakis etwa bei der Nachnutzung der Ex-Flughäfen Tempelhof und Tegel wichtig, ausreichend Grünflächen als sogenannte Kaltluftschneisen einzuplanen und die Mitte der freien Gelände nicht zu bebauen.

SPD-Politiker Buchholz lobt, dass der Senat das Problem früh erkannt habe. Seine Überlegungen gehen jedoch noch weiter. So müssten mehr hitzeabsorbierende Baustoffe und Farben in der Stadtgestaltung verwendet werden. "Mit Glasflächen dürfte man gar nicht mehr bauen - es sei denn, sie sind mit Solarzellen versehen", sagt Buchholz.

Und die Kosten? Nach Berechnungen des Ökonom Nicolas Stern müssen zur Bekämpfung des Klimawandels weltweit ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufgewendet werden. Für Berlin und Brandenburg würden dies Investitionen von knapp einer Milliarde Euro bedeuten. Auch Buchholz spricht von Kosten im Milliardenbereich. "Je früher wir Vorkehrungen treffen, desto weniger müssen wir ausgeben, um die Schäden des Klimawandels zu beseitigen."

So ist der Gipfel in Kopenhagen für die Region entscheidend: Je länger sich eine weltweite Einigung verzögere, warnt PIK-Forscher Lotze-Campen, desto unberechenbarer würden die Folgen und desto schwieriger werde es für die Gesellschaften, sich anzupassen. Dann wären auch die Berliner Maßnahmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

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