Nachhilfeschule für Migranten: Private erobern Bildungsmarkt

Immer mehr Migranten schicken ihre Kinder in private Nachhilfeschulen. Der Staat kümmere sich zu wenig um die Probleme der Kinder, lautet die Kritik.

Die Bildung ihrer Kinder liegt Migranten ebenso am Herzen wie deutschen Eltern: Die Nachfrage nach Bildungsangeboten steigt, immer mehr Eltern schicken ihren Nachwuchs etwa in Nachhilfeschulen. Gerade hat das türkische Bildungsinstitut Berlin-Brandenburg (Tüdesb) eine neue Nachhilfeschule am Kottbusser Damm eröffnet - Tüdesbs zehnte Bildungseinrichtung in Berlin. Die privaten Anbieter füllen offensichtlich eine Lücke im staatlichen Bildungssystem. Auch der Integrationsbeauftragte Günter Piening (Grüne) gab anlässlich der Eröffnung der neuen Tüdesb-Filiale am vergangenen Samstag zu: "Die Mängel des staatlichen Systems führen zu mehr Entwicklung im privaten Bereich."

Der Pressesprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Kenneth Frisse, räumt ebenfalls ein, dass derzeit keine Gelder für Bildungsprojekte mit Migranten zur Verfügung stehen. "Wir setzen allerdings fast 1.250 Vollzeitlehrerstellen zur Sprach- und Strukturförderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache ein", erklärt er. Dem Vorsitzenden des türkischen Elternvereins, Safter Cinar, reicht das nicht: "Warum schaffen es die Schulen nicht, das Problem selbst zu lösen?"

Das Bildungsinstitut Tüdesb ist einer der großen Anbieter auf dem migrantischen Nachhilfemarkt. Es startete 1994 als kleine Elterninitiative in Kreuzberg. Aufgrund der starken Nachfrage der hauptsächlich türkischen Klientel expandierte der Nachhilfezirkel zu einer Kette von zehn Bildungseinrichtungen in Berlin. Tüdesb eröffnete 2004 ein privates Gymnasium und 2006 eine Realschule in Spandau. In Kreuzberg, Wedding und Neukölln unterhält die Kette drei Kindertagesstätten. Und fünf Bildungszentren in Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln bieten Nachhilfe- und Integrationskurse an. Insgesamt beschäftigt der Verein 150 Mitarbeiter.

Weniger bekannt sind die kleinen Nachhilfeschulen an der Basis. Ein Beispiel ist die Aslaniko-Schule in Friedrichshain-Kreuzberg von Taha Kahya. Seit 2005 werden Schüler bis zur Mittelstufe in Deutsch und im Umgang mit Computern gefördert. Die Kurse werden von arabischen, türkischen und deutschen Kinder besucht. "Es sind nicht nur die Migranten, die die Unterstützung von der Stadt brauchen", sagt Kahya. Die Kurse richteten sich an alle Berliner, gleich welcher Nationalität.

Außerhalb der Schule können die Schüler weitere Veranstaltungen besuchen. Kahya hat eine Vereinbarung mit dem jüdischen Museum, dass die Schüler kostenlos die Ausstellung besichtigen dürften. "Das baut Vorurteile ab", sagt er, "und macht den Kindern Spaß. Viele wollen dann oft noch einmal hingehen."

Tüdesb dagegen konzentriert sich auf soziale Aktivitäten. Die 23-jährige Nachhilfelehrerin für Deutsch und Französisch, Serpil Tirhis, sagt: "Wir gehen zusammen ins Kino, und in den Ferien veranstalten wir Reisen. Wir wollen die Schüler raus aus dem Stress in der Schule bringen." Die Schulstadträtin Monika Herrmann (Grüne) begrüßte bei der Eröffnung die Eigenorganisation der türkischen Gemeinde. "Mit Initiatoren wie Ihnen können wir die Zukunft gestalten."

Andere sehen das weniger positiv. "Wenn der Staat eine Schule finanziell fördert, dann sollte er genau hingucken, was gelehrt wird", sagt Cinar vom Elternverein. Damit spielt Cinar auf das Gerücht an, Tüdesb habe eine Verbindung zur islamisch-konservativen Bewegung Nurculuk und dem Prediger Fethullah Gülen. Kritiker befürchten, dass Tüdesb-Mitarbeiter die Kinder und Jugendlichen in außerschulischen Aktivitäten religiös beeinflussen wollen. Auch Cinar weiß vom Unbehagen einiger türkischer Eltern gegenüber dem Verein. Doch wegen des lückenhaften Nachhilfeangebotes griffen viele Eltern trotz ihrer Bedenken auf Tüdesb zurück. "Den Eltern bleibt keine Alternative."

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