Polizeieinsatz in der Brunnenstraße 183: Hausprojekt in Berlin-Mitte geräumt
Die Polizei hat das Hausprojekt mit dem Umsonstladen geräumt. Hauseigentümer gibt dem Senat die Schuld. Gerücht über weitere Räumung in Friedrichshain bestätigt sich nicht.
So viel Blaulicht gibt es sonst nur am 1. Mai. Mit einem Großaufgebot von 600 Beamten rückte die Polizei am Dienstag in der Brunnenstraße 183 an. Dabei wurden laut Polizeisprecher Thomas Goldack 21 Personen aus dem ehemals besetzten Haus geführt; anschließend wurden ihre Personalien festgestellt. Die Polizeiaktion verlief "friedlich und entspannt", so Goldack. Nach der Räumung übergab die Polizei das Gebäude an den Eigentümer, den Passauer Arzt Manfred Kronawitter.
Das im Internet verbreitete Gerücht, auch das Hausprojekt Liebigstraße 14 in Berlin-Friedrichshain werde geräumt oder durchsucht, erwiesen sich als falsch. Ein Polizeisprecher sagte, darüber gebe es keine Kenntnis. Auch ein Bewohner sagte der taz gegen 18.30 Uhr, dass es keinen Polizeieinsatz in dem Haus gebe.
Manfred Kronawitter versucht seit Jahren, die Bewohner aus der Brunnenstraße 183 zu klagen. In einer Erklärung machte er den Senat für die Räumung verantwortlich: Bis zuletzt habe er zu seinem Angebot gestanden, ein Ersatzgrundstück zu kaufen. Doch das sei am Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit gescheitert (siehe Kasten).
Unklar blieb, was aus dem Gebäude nun wird. Nach der Räumung erklärte Polizeisprecher Goldack, keine der 21 angetroffenen Personen habe einen Anspruch auf eine der 20 Wohnungen anmelden können. Wie Bewohneranwalt Moritz Heusinger der taz mitteilte, könnten aber sieben Personen einen gültigen Mietvertrag für die Brunnenstraße 183 vorweisen. "Von einem besetzten Haus kann also nicht gesprochen werden". Darüber hinaus habe Kronawitter bislang nur fünf Räumungstitel erwirken können. Sieben weitere Räumungsklagen würden derzeit noch verhandelt.
Heusinger geht davon aus, dass die Bewohner mit Mietverträgen das Gebäude wieder betreten können. Polizeisprecher Goldack wollte sich dazu nicht äußern: "Wir unterstützen nur den Gerichtsvollzieher." Nach der Übergabe ließ Eigentümer Kronawitter das Gebäude von einer Firma sichern. Wie er mitteilte, wurde für ihn "die Besetzung mithilfe von Gerichtsvollzieher und Polizei beendet, um das Gebäude endlich sanieren zu können". Kronawitter plant den Bau eines Mehrgenerationenhauses.
Der Einsatz der Polizei dauerte bis in den Abend hinein - und legte in der viel befahrenen Brunnenstraße den Berufsverkehr lahm. Dennoch verteidigte Polizeipräsident Dieter Glietsch das Vorgehen der Beamten. Die Verhältnismäßigkeit sei gewahrt worden, sagte Glietsch einem Radiosender. "Unsere Erfahrungen haben uns gelehrt, dass man Probleme vermeiden kann, wenn man ausreichend starke Kräfte vorhält." Bis zum Abend waren etwa 200 Personen zusammengekommen, um gegen den Polizeieinsatz und die Räumung zu demonstrieren. Einer sagte: "Das ist Gentrification live." Die Demonstranten wurden dabei von drei Männern angefeuert, die auf dem Dach der benachbarten Brunnenstraße 182 standen und eine Besetzerfahne schwenkten.
Polizeipräsident Glietsch und Innensenator Ehrhart Körting (SPD) waren zuletzt stark unter Druck geraten. Vor allem wegen der zahlreichen Autobrände wurde ihnen von der CDU Versäumnisse im Vorgehen gegen Linksextreme vorgeworfen. Auf mögliche Reaktionen der linken Szene angesprochen, sagte ein Polizist: "Die finden immer einen Anlass, Autos anzuzünden."
Bewohneranwalt Heusinger bedauerte zudem, dass Kronawitter nicht verhandlungsbereit gewesen sei. "Bereits im Sommer haben wir angeboten, die fünf Wohnungen mit Räumungstitel zu übergeben." Doch der Eigentümer habe abgelehnt. Mit der Räumung verschwindet auch der über Mitte hinaus bekannte "Umsonstladen".
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