Friedrichshain: Reibereien im Tempelbezirk

500 Unterstützer demonstrieren für den Erhalt der Projekte auf dem Gelände des Revaler Vierecks in Friedrichshain, darunter der RAW-Tempel und eine Skatehalle. Ein Investor will bauen, der Bezirk beide Seiten an einen Tisch bringen.

Das Graffitibildnis eines Don Quichotte und seines Junkers, um deren Köpfe die Fliegen kreisen, ziert die Wand der Skatehalle-Berlin auf dem Gelände des "Revaler Vierecks" in Friedrichshain. "Das ist der neue Eigentümer des Areals, Klaus Wagner, und sein Verwalter Moritz Müller. Die Beiden bedrohen die Zukunft unserer Projekte", erklärt Hallenbetreiber Tobias Freitag.

Auf dem verwilderten Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes an der Warschauer Straße haben sich seit 1999 Vereine und Projekte angesiedelt, darunter das Kulturzentrum RAW-Tempel, die Skatehalle, der Konzertraum Cassiopeia, der Zirkus Zack sowie viele Künstlerateliers. Ginge es nach den Plänen von Wagner und seiner Immobiliengesellschaft R.E.D. Berlin Development, die das Grundstück im Sommer 2007 erwarb, sollen auf dem Grundstück generationsübergreifende Wohnprojekte, ein Fairtrade-Handelszentrum und eine Versorgungseinrichtung, die mit Erdwärme arbeitet entstehen - im Einklang mit den selbstorganisierten Projekten.

"Was sich in erster Sekunde harmlos anhört, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine Gefahr für das Revaler Viereck", erklärt der Architekt Axel Volkmann, der die Entwicklungsgemeinschaft Revaler Fünfeck berät. "Bis auf die denkmalgeschützten Häuser sollen alle anderen Gebäude abgerissen und durch gigantische Neubauten ersetzt werden", erklärt er. Unter Denkmalschutz stünden derzeit nur die Räume des RAW-Tempel.

Zwar wolle die R.E.D. die Skatehalle erhalten. Doch diese soll in einen Neubau an den Rand des Areals, Richtung Modersohnstraße umziehen, erklärt Hallenbetreiber Freitag. Die Nutzer des sieben Hektar großen Grundstücks kämpfen seit vergangenem Sommer für den Erhalt der Projekte. Am Samstag organisierten sie eine Demonstration, an der rund 500 Menschen teilnahmen. Neben vielen Anwohnern unterstützt auch der Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) und die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg die Nutzergemeinschaft. Die BVV bekundete Anfang des Jahres, sie wolle das Revaler Viereck in seiner derzeitigen Form erhalten.

Schulz stellte zudem eine Arbeitsgruppe zusammen, in der die Nutzer und die R.E.D. unter der Moderation des Bürgermeisters einen Kompromiss ausarbeiten sollen. "Für den RAW-Tempel und die Skatehalle wäre es am sinnvollsten, die Flächen zu kaufen", erklärt Schulz. Das hatten die Betreiber der Skatehalle und des RAW-Tempel auch vor, so Andrea Taha, Sprecherin des Vereins "RAW-Tempel".

Leider kam es bei der ersten Sitzung im Rathaus am 12. Juni zum Eklat. Ein Gutachter hatte im Auftrag des Eigentümers Klaus Wagner einen Verkaufspreis festgelegt. 2 Millionen Euro für den RAW-Tempel und 2,7 Millionen Euro für die Skatehalle stand in dem Gutachten. "Das ist noch unter Friedrichshain-Niveau", erklärte der Verwalter des Grundstücks, Moritz Müller, am Wochenende der taz. Als sie das Gutachten sahen, verließen Taha und Freitag die Versammlung. "Die R.E.D hat das Grundstück für 2 Millionen Euro erworben und verkauft jetzt einen Bruchteil der Fläche für 4,7 Millionen Euro", empört sich Freitag. Das könne die Nutzergemeinschaft niemals bezahlen.

Seit diesem 12. Juni herrscht Funkstille, da die Nutzer aus der Arbeitsgruppe ausgetreten sind. Trotzdem pocht Schulz darauf, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden: "Alle Seiten sind dazu verdammt." Der Bürgermeister findet, die R.E.D habe die Situation durch ihr Verhalten provoziert. Theoretisch könne die R.E.D. einfach die Gebäude des Cassiopeia und der Skatehalle abreißen, wenn deren Mietverträge 2012 auslaufen. "Dann würden wir ihnen aber keinen Bebauungsplan genehmigen", erklärt Schulz die Rolle des Bezirks. Diese bräuchte die R.E.D. aber, um ihre Wohnkomplexe errichten zu können.

Falls die Nutzergemeinschaft die Flächen nicht kaufen kann, hätte der Bezirk außerdem die Möglichkeit, die gefährdeten Gebäude unter Gestaltungsschutz zu stellen. Schulz persönlich ist sehr daran interessiert, das ehemalige Waschhaus zu erhalten: "Ich mag, was die Künstlerin aus dem historisch wichtigen Haus gemacht hat." Lukas Dubro

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