Ethiklehrerin über Unterrichtsinhalte: "Religion ist nur ein Aspekt"

"Pro Reli" Ethikunterricht bietet genug Raum für Religion, sagt Ethiklehrerin Christiane Wiemann.

Christiane Wiemann istSprecherin des Fachverbands Ethik ist Theaterpädagogin und Lehrerin für Bio, Chemie und Ethik an der Nelson-Mandela-Schule in Berlin.

taz: Frau Wiemann, sind Sie froh, dass der Volksentscheid "Pro Reli" gescheitert ist?

Christiane Wiemann: Ja. An meiner Schule sind Kinder fast aller großen Religionen: Christen, Muslime, Buddhisten, Hindus. Wären diese konfessionsgebundenen Schülerinnen und Schüler künftig jeweils in ihren Religionsunterricht gegangen, hätte der Ethikunterricht sehr darunter gelitten.

Warum?

Weil diese Jugendlichen ihre Werte und Anschauungen, die ja durch ihre Religion geprägt sind, in die Gruppe einbringen. Das wäre künftig nicht der Fall gewesen und hätte sehr gefehlt.

Nach dem Scheitern von "Pro Reli" wird die Forderung laut, das Thema Religion müsse mehr Platz im Ethikunterricht bekommen. Stimmt das?

Meines Erachtens ist für das Thema Religion im Ethikunterricht genug Platz. Es spielt ja bei eigentlich allen Themen eine Rolle. Ob wir über Liebe und Freundschaft, über Gerechtigkeit oder Gewissen reden: Es geht immer auch um die Frage, was die Religionen dazu sagen.

Als eigenes Thema kommt Religion aber nicht vor?

Doch. Das Lehrbuch sieht vor, die Glaubensrichtungen einmal alle vorzustellen. Dabei muss man es aber nicht belassen. Der Rahmenplan ist da sehr offen: Man kann sich als Lehrer überlegen, wie man das handhabt. Wollte ich aber die drei monotheistischen Religionen in ihrer Komplexität darstellen, müsste ich jeder mindestens ein halbes Jahr widmen - das wären eineinhalb Jahre allein für diese großen Weltreligionen. Das scheint mir übertrieben und ist auch nicht die Aufgabe des Ethikunterrichts.

Wie machen Sie es denn?

Derzeit geht es in meinem Unterricht um Gerechtigkeit. Über eigene Erfahrungen hinaus schauen wir uns da die Ordnungen demokratischer Staaten, etwa das Grundgesetz oder die Europäische Konvention der Menschenrechte, an. Dann schauen wir aber auch, was Religionen und Weltanschauungen zu dem Thema sagen: Wie definieren Sie den gerechten Menschen, wann bin ich gerecht? Kann ich das überhaupt sein? Ist Gott gerecht? Das war übrigens eine der Fragen, die von den religiösen SchülerInnen selbst kam. So entwickeln sich oft die interessantesten Diskussionen.

Der Rahmenplan sieht auch vor, VertreterInnen der Religionsgemeinschaften in den Ethikunterricht einzuladen. Wird das praktiziert?

Ich praktiziere das und auch die KollegInnen, die ich kenne. Ich halte es für sehr wichtig für die Schüler und Schülerinnen, Menschen zu begegnen, die in ihren verschiedenen Religionen leben und darin eine Bereicherung für sich sehen. Aber ich persönlich stehe auch dazu zu sagen: Religion ist nur ein Aspekt im Ethikunterricht. INTERVIEW: ALKE WIERTH

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