Brandenburg: Rot-Rot als Projekt der Versöhnung

Ist die Linke regierungsfähig? Ja, sagt Helmut Müller-Enbergs von der Birthler-Behörde und verweist auf die Auseinanderstzung mit der eigenen Geschichte. Die sei sogar weitergehend als bei den Blockparteien.

Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Kerstin Kaiser Bild: dpa

Gleich nach der Entscheidung für Rot-Rot in Brandenburg hatte Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, auf den Tisch geklopft. Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei, sagte er, seien Verrat an den Idealen der friedlichen Revolution. "Eine Partei, deren Führung vor allem aus ehemaligen Stasi-Mitarbeitern besteht, disqualifiziert sich selbst für jede Regierungsarbeit."

Nun bekommt Knabe Widerspruch von einer Behörde, die es wissen muss. "Die Linke in Brandenburg", sagt Helmut Müller-Enbergs, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Birthler-Behörde, "ist in der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit weiter als andere Blockparteien."

Müller-Enbergs, der mit seiner Kollegin Cornelia Jabs die Stasi-Kontakte des Westberliner Polizeibeamten Karl-Heinz Kurras aufgedeckt hatte, glaubt auch nicht, dass Rot-Rot einen Rückschlag für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in Brandenburg bedeutet. "Es ist unwahrscheinlich, dass eine neue Landesregierung den Beschluss über die Einsetzung eines Landesbeauftragten über die Staatssicherheit zurücknehmen wird", sagte er der taz. Noch im Frühjahr hatte Müller-Enbergs die mangelnde Bereitschaft zur Auseinandersetzung der großen Koalition in Potsdam mit der DDR als "Schweigekartell" kritisiert. Die Einsetzung eines Stasi-Landesbeauftragten, die Schwarz-Rot am Ende der Legislaturperiode beschlossen hat, sei deshalb ein "Schritt in die richtige Richtung".

Auch Martina Weyrauch, Chefin der Potsdamer Landeszentrale für politische Bildung, kann Rot-Rot Positives abgewinnen. "Es ist richtig, dass Matthias Platzeck endlich die Kluft zur Linken überwunden hat", sagte Weyrauch, die in der Vergangenheit immer wieder zur Aufarbeitung der SED-Diktatur aufgefordert hatte. Damit sei Brandenburg nun auf dem "Weg zur Normalisierung". Die Landeszentrale für politische Bildung, betonte sie, habe als überparteiliche Einrichtung immer für Aufarbeitung und Versöhnung plädiert.

Darüber hinaus ist Weyrauch davon überzeugt, dass die Zeit reif gewesen wäre für eine Ministerin wie Kerstin Kaiser. Die Spitzenkandidatin der Linken, die während ihres Studiums Kommilitonen bespitzelt hatte, habe dies früh öffentlich gemacht und damit "in bemerkenswerter Art und Weise zur Aufarbeitung beigetragen". Mit ihrem Verzicht auf ein Ministeramt hatte Kaiser am Sonntag den Weg für Rot-Rot freigemacht. Am Dienstag reagierte Kaiser auf eine Forderung nach einer Stasi-Überprüfung aller Abgeordneten im Potsdamer Landtag. Den Antrag der Grünen werde die Linksfraktion nicht verhindern, sagte Kaiser. Ihre Partei sei mit den Biografien ihrer Abgeordneten immer offen umgegangen.

Neben Knabe hatte auch CDU-Chefin Johanna Wanka (CDU) der Linken einen "Verrat" an den Zielen der friedlichen Revolution vorgeworfen. Es sei nicht zumutbar, dass 20 Jahre nach dem Fall der Mauer die Erben der SED mitregierten, so Wanka.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.