Gelöbnisse vor dem Reichstag: Rot-Rot gelobt Dialektik

Klaus Wowereit hält die Verlegung des Bundeswehrgelöbnisses vor den Reichstag für falsch. Darüber entscheiden müsse aber die Bundesregierung. Die Linke sieht das ähnlich und behält sich Proteste vor

Das Bundeswehrgelöbnis vor dem Reichstag am 20. Juli 2008 Bild: AP

Die Wiese vor dem Reichstagsgebäude ist eigentlich gar keine Wiese, sondern eine Rasenwüste. Das ist nicht gut für Berlin, findet der Stadtökologe Herbert Sukopp. "Auf derart gestutzten Flächen finden Insekten kaum Nahrung. Langgraswiesen bieten dagegen für über hundert Insektenarten wie Blumenwanzen, Wildbienen und Käfer einen wertvollen Lebensraum und sind auch noch schön anzusehen", erklärt der Wissenschaftler. Ökologisch spreche daher alles für die Einrichtung einer bunten Blumenwiese vor dem Reichstagsgebäude. Auch ökonomisch wäre eine Wiese ein echter Vorteil - der klamme Bezirk Mitte spare sich das häufige Rasenmähen. Einziges Problem: Die Fläche könne nicht mehr betreten werden, weil sich eine platt gedrückte Wiese nicht mähen lässt. Deshalb muss laut Sukopp eine Grundsatzentscheidung her: blühende Insektenweide oder marschtauglicher Stoppelrasen. Eigentlich ein urgrünes Thema. TIL

Das jährlich am 20. Juli in Berlin zelebrierte Bundeswehrgelöbnis kann auch in Zukunft vor dem Reichstag stattfinden. Die rot-rote Koalition übt zwar heftige Kritik an der Verlegung vor das Parlamentsgebäude, doch zugleich überlässt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Entscheidung höheren Ebenen. Auch Klaus Lederer, Landeschef der Linskpartei, stellt weiterhin den Sinn der Zeremonie infrage. "Der Senat hat sich aber zur Bundeswehr nicht zu positionieren", sagte Lederer.

Die Gelöbnis der Rekruten wird am Jahrestag des gescheiterten Hitlerattentats zelebriert. Seit 1999 ist es stets im Bendlerblock des Verteidigungministeriums durchgeführt worden. Dort waren die Attentäter 1944 hingerichtet worden. Angeblich wegen Baumaßnahmen hatte das Areal in diesem Jahr nicht zur Verfügung gestanden. Die Feier war daher vor den Reichstag verlegt worden. Wenig später hatte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) angeregt, die Zeremonie immer dort abzuhalten. "Da gehört es hin, denn die Bundeswehr ist gegenüber dem Parlament verantwortlich", so Jung. Er wird vom diesjährigen Gastredner des Gelöbnisses, dem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), unterstützt.

Ganz anders sieht das dessen Parteifreund Klaus Wowereit. "Ich konnte gut damit leben, dass das Gelöbnis im Bendlerblock stattfand", sagte der Regierende Bürgermeister der taz. Schließlich sei die Zeremonie auch vor dem Reichstag nicht öffentlich gewesen. Für die Feier am 20. Juli war das Gelände weiträumig abgesperrt worden. Eine Gegendemonstration musste mehrere hundert Meter Abstand halten. Es gebe jetzt keine Einladung an die Bundeswehr, betonte Wowereit. "Wenn die Bundesregierung aber meint, aus symbolischen Gründen das Gelöbnis vor dem Reichstag abzuhalten, dann sollen die das machen."

Ähnlich argumentiert Klaus Lederer. Es sei nicht Aufgabe des Landes Berlin, inhaltliche Bundeswehrpolitik zu machen. Der Senat könne sich daher nur auf Verwaltungsebene mit künftigen Gelöbnissen beschäftigen. Auf keinen Fall sei es Aufgabe eines Grünflächenamtes, über solche Veranstaltungen zu entscheiden, sagte er. Das Grünflächenamt des Bezirks Mitte hatte ursprünglich das Gelöbnis vor dem Reichstag nicht genehmigt, um die dortige Wiese zu schonen. Keinesfalls werde seine Partei aber ihre kritische Position zu der Militärzeremonie ablegen, betonte Lederer. Man werde sich "auch in Zukunft öffentlich hörbar zu Wort melden". Bei den Gelöbnissen ginge es letztlich darum, die Existenz des Militärischen zu normalisieren. Da habe man - ganz aktuell mit dem Blick auf den Krieg in Ossetien - allen Grund zum Protest.

Ein Antrag der Bundeswehr zur Verlegung der Gelöbnisse vor den Reichstag liegt laut Senatssprecher Richard Meng bislang noch gar nicht vor. Sollte der kommen, würden sich Land und Bezirk in erster Linie darum bemühen, dass die Absperrungen des Reichstagsgeländes auf ein Mindestmaß reduziert würden.

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