1. Mai-Prozess: Schlampige Untersuchungen

Polizeiführer gesteht Fehler in Ermittlungen gegen Rigo B. und Yunus K. Sie sollen bei den Kravallen am 1. Mai einen Brandsatz geworfen haben.

Polizei guckt mal wieder nicht richtig hin Bild: ap

Es war der Zeitpunkt der Abrechnung. Am 20. Tag des Prozesses gegen die wegen eines Molotowcocktail-Wurfes angeklagten Yunus K. und Rigo B. nahmen Verteidigung und Richter den Ermittlungsführer der Polizei in die Mangel. Der 38-jährige Staatsschutzbeamte Mario G. räumte schließlich Versäumnisse ein. Die Ermittlungen seien "nicht ideal gelaufen".

Seit September 2009 wird gegen den 20-jährigen Yunus K. und den 17-jährigen Rigo B. wegen versuchten Mordes verhandelt. Siebeneinhalb Monate saßen beide in U-Haft. Laut Aussage zweier Polizisten sollen sie am 1. Mai in Kreuzberg einen Molotowcocktail geworfen haben, von dem eine umstehende 28-Jährige verletzt wurde. Die beiden bestreiten die Tat. Mitte Dezember wurden Yunus K. und Rigo B. überraschend aus der U-Haft entlassen. Ein dringender Tatverdacht bestehe nicht mehr, eine Verwechslung mit den wahren Tätern könne nicht ausgeschlossen werden, so die Richterin damals.

Seitdem hat sich die Stimmung im Gericht deutlich gewandelt, alles läuft auf einen Freispruch hinaus. Offensiv greifen die Verteidiger am Mittwoch die Polizeiermittlungen an. Auch die Richter bewerten diese zunehmend kritisch. Warum er nur den Kapuzenpullover von Yunus K. auf Benzinspuren untersucht habe, nicht aber das T-Shirt von Rigo B., fragt die Richterin den Ermittlungsführer. Das sei in der Fließbandarbeit des 1. Mai wohl untergegangen, räumt Mario G. ein. "Das hätte Sinn gemacht." Bei Yunus K. wurden keine Benzinspuren gefunden.

Auch dass Kollegen bei der Hausdurchsuchung zweier anderer Jugendlicher, gegen die ebenfalls wegen des Brandsatzwurfes ermittelt wird, einen gefundenen Benzinkanister nicht beschlagnahmt hatten, halte er für falsch, gesteht der Beamte. Bei der Durchsuchung sei er aber im Urlaub gewesen. Zudem sei es seiner Arbeitsüberlastung geschuldet, dass Fotos, die laut Zeugen die vermeintlich "wahre Tätergruppe" zeigen, wochenlang nicht in der Ermittlungsakte landeten. Ob er damit sagen wolle, bohrt Verteidiger Stefan König nach, dass er nicht ausreichende Kapazitäten zur Verfügung gehabt habe, um das Verfahren angemessen zu bearbeiten? "Wenn Sie so wollen, ja", brummelt Mario G. Es habe allerdings auch keinen Anlass gegeben, an den "sehr detaillierten" Aussagen zweier Polizisten - der Hauptbelastungszeugen - zu zweifeln.

Verteidigerin Ulrike Zecher wiederholt am Rande des Prozesses ihre Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu der Polizeiarbeit.

Die Notwendigkeit dafür hätten die Aussagen G.s aufgezeigt. "Die Polizisten waren überlastet, hier wurden strukturell Fehler gemacht - zulasten der Angeklagten", so Zecher. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, sieht für einen Untersuchungsausschuss keine Mehrheit. Wohl aber werde der Prozess im Innenausschuss Thema sein. "Die Ermittlungen sollten aufgearbeitet werden, ohne dass hier jeder den Schwarzen Peter hin und her schiebt."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.