Bürgerentscheid zum Spreeufer: Senat will Mediaspree-Wogen glätten

Nach dem Bürgerentscheid fordern Landespolitiker, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Bürgervotum ernst nimmt. Dabei bleiben sie schön vage.

Inhaltsvoll wie eine Seifenblase: Auch nach dem Bürgerentscheid bleibt die Spree ein Thema Bild: DPA

Nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid zur Zukunft der Spreeufer hat sich der Senat grundsätzlich bereit gezeigt zum Dialog mit der Bürgerinitiative. Landespolitiker und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer blieben indes am Montag auffallend unverbindlich - und waren vor allem darauf bedacht, die Investoren zu beruhigen.

Eines hatten die Initiatoren des Bürgerentscheids "Spreeufer für Alle" und die betroffenen Grundstückseigentümer am Montag gemeinsam: Beide hatten viel Anlass für Beratungen, denn durch das Bürgerbegehren ist das Kräfteverhaltnis an der Spree gehörig ins Wanken geraten.

Christian Meyer vom Regionalmanagement mediaspree ist unglücklich über das wenig investorenfreundliche Signal, das vom Ergebnis des Bürgerentscheids ausgehe. Zwölf Grundstücksbesitzer - darunter die landeseigenen Firmen Behala und BSR - wären von einer Umsetzung des Wahlgangs betroffen, so Meyer zur taz. Die meisten Eigentümer hätten einen festgelegten Bebauungsplan. Diese sogenannten B-Pläne seien verbindlich wie ein Gesetz; Meyer glaubt daher nicht, dass die Pläne noch mal neu aufgerollt werden. Und dass eine der betroffenen Firmen freiwillig auf ihr Baurecht verzichtet oder die landeseigenen Firmen den Weg frei für einen Kompromiss machen, kann sich Regionalmanager Meyer nicht vorstellen: "Volkseigentum gibt es nicht mehr." Laut Meyer wollen sich die betroffenen Eigentümer nun mit ihren Anwälten über das weitere Vorgehen beraten.

Genau auf die landeseigenen Firmen setzt allerdings die Initiative "Spreeufer für Alle". Sie wollte Wirtschaftsenator Harald Wolf (Linke) am Montag mit einem demonstrativen Umtrunk auf einer der Baustellen am Osthafen an seine Verantwortung für die Behala und die BSR erinnern, erklärte ein heiserer Carsten Joost, Sprecher der Initiative.

Die Initiatoren des Bürgerentscheids planen jetzt eine räumliche und inhaltliche Verbreiterung ihrer Arbeit: "Uns geht es um das Ganze, eine lebenswerte Stadt, und deshalb wollen wir uns jetzt mit den Bürgerinitiativen gegen die Verlängerung der Autobahn 100 in Treptow und das Kohlekraftwerk Klingenberg zusammen tun", so Joost. TILL BELOW

"Das Land Berlin ist bei dieser Entwicklung ein verlässlicher Partner für alle Investoren, die sich auf vorhandenes Baurecht und auf bestehende städtebauliche Verträge berufen können", erklärte die SPD-Politikerin. Sie bezeichnete Mediaspree ganz in Investorensprache als einen "für Zukunftsinvestitionen interessanten Standort. Hier kann Berlin auf Augenhöhe mit anderen europäischen Metropolen konkurrieren". Auf den Bürgerentscheid ging die Senatorin in ihrer Mitteilung allerdings nicht konkret ein.

Ihr Sprecher, Marko Rosteck, sagte später der taz, der Entscheid habe eher Appellcharakter und sei eine Aufforderung zum Dialog. Laut dem Bezirksverwaltungsgesetz sind Bürgerentscheide Empfehlungen. Bei planungsrechtlichen Fragen sind Bürgerentscheide "teilweise nur mit empfehlender oder ersuchender Wirkung möglich".

Nach dem deutlichen Sieg der Bürgerinitiative "Mediaspree versenken!" am Sonntag will Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) mit den Aktivisten und mit Investoren gemeinsam nach Kompromissen für das 180 Hektar große Entwicklungsgebiet zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke suchen. Allerdings wird dieser Sonderausschuss erst nach der Sommerpause zusammentreten. Die Wogen könnten sich bis dahin geglättet haben, was dem Senat wohl nicht ungelegen käme: Die Landespolitiker reagierten am Montag mit allgemein gehaltenen Appellen auf das Bürgervotum und bedienten vor allem ihre Wählerklientel.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) sah im Bürgerentscheid kein schlechtes Signal für künftige Investoren. Die Interessen von Wirtschaft und Bürgern müssten so kommuniziert werden, dass ein Konsens entstehe. Wolf gestand zwar, dass der Weg dorthin schwierig werde, das Votum müsse gleichwohl ernst genommen werden, auch wenn es nicht bindend ist.

Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus forderte den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf, die Interessen der Investoren ausreichend zu berücksichtigen. Im Interesse des Allgemeinwohls müsse "die maximale Realisierung des Projekts Mediaspree gemeinsam mit den Investoren" herbeigeführt werden. Sollte sich Bürgermeister Schulz doch dem "unverbindlichen Kiezvotum" beugen, müsse der Senat die Planungen an sich ziehen. Das forderte auch ein Sprecher der CDU-Fraktion: Der Senat müsse "retten, was zu retten ist".

Senatsverwaltungssprecher Rosteck wehrte jedoch ab: "Wir haben nichts derartiges vor." Das Verfahren sei im Bezirk in guten Händen. Auch Schulz ist dagegen, die Befugnisse abzugeben - Stadtplanung zählt zu den Kernkompetenzen einer Bezirksverwaltung. Er warnte, dass das Votum vom Sonntag bedeutungslos werde, sollte Junge-Reyer die Planungshoheit übernehmen. Es bestehe zudem die Gefahr, dass der Senat die bisherigen Pläne "mehr oder weniger unverändert" realisiere.

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