Linke: Solidarität, Genossen!

Die "Junge Welt" versucht bei einer Diskussion die umstrittene niedersächsische Abgeordnete Christel Wegner zu rehabilitieren.

Das lässt er sich nicht nehmen. Junge-Welt-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder zitiert noch einmal Punkt für Punkt aus dem Programm des Abends. "Geplant war auch ein Impulsvortrag von Bodo Ramelow", erklärt er mit Blick ins Publikum, "und zwar zum Thema Freiheit der Andersdenkenden." Der Saal prustet los. "Der! Ausgerechnet der!", amüsiert sich ein weißhaariger Herr und schlägt sich aufs Knie. Sein Nachbar kramt nach Taschentüchern. Der Laden ist rappelvoll, die Brille schon beschlagen.

"Nein zur Hexenjagd - Solidarität mit Christel Wegner", stand auf der Einladung der Jungen Welt, die sich sich selbst als marxistische Tageszeitung bezeichnet. Wegen ihrer umstrittenen Äußerungen zu Mauer und Stasi in der ARD-Sendung "Panorama" war die DKP-Frau Wegner am Montag aus der linken Landtagsfraktion in Niedersachsen geflogen. Jetzt zwängen sich die Gäste zur Soli-Veranstaltung in die letzten Winkel der Junge-Welt-Ladengalerie in der Torstraße: Viele Ältere in schlichten Blousons, beige oder blau; die jüngeren tragen Parka, einige auch Spitzbart. Sie wollen Flagge zeigen ob der Ungerechtigkeit, die der Genossin Wegner widerfahren ist. Als sich ein Kamerateam der ARD durch die Menge kämpft, wird laut gemosert. "Na, wer schneidet denn eure Beiträge zusammen?", ruft einer. Der Tonmann duckt sich. "Wir setzen hier ein Zeichen der Solidarität", sagt Koschmieder, später wird er eine "Berliner Erklärung" unterzeichnen lassen: "Schluss mit der Hexenjagd."

Dass kein einziger der geladenen Gäste von der Linkspartei gekommen ist, stört ihn nicht. Damit hatte wohl eh niemand gerechnet. Dieter Dehm, niedersächsischer Landesvorsitzende, sollte laut Programm ein Lied vortragen: "Wider die Speichellecker", frei nach Bert Brecht. Die linke Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht sollte ein Referat halten - "Systemwechsel ist notwendig". Und Bodo Ramelow, Wahlkampfleiter der Linken, sollte sich zur Meinungsfreiheit äußern. Welch Ironie.

Denn dass ausgerechnet die Linke Wegners Äußerungen nicht toleriert, findet Geschäftsführer Koschmieder empörend. "Die bürgerlichen Medien und Parteien fallen jetzt natürlich über sie her", ruft er über den weißen Spanholztisch hinweg, "aber auch Die Linke?" Neben ihm sitzt Junge-Welt-Chefredakteur Arnold Schölzel und schweigt. Wegner sei ein Opfer antikommunistischer Hetze und absichtlich falsch verstanden worden, erklärt Geschäftsführer Koschmieder. "Immer wenn die Wörter Stasi und Mauer fallen, schreien alle 'uuuuhhhh' und tun ganz erschrocken", ruft er ins Publikum. "Genau!", schallt es zurück. Wangen röten sich. "Scheißmedien", raunt eine Frau mit Holzkugelkette.

Da meldet sich Arnold Schölzel. Er ist Chefredakteur, er muss es ja wissen. "Die Journalisten reagieren doch schon wie ein pawlowscher Hund", sagt er. "Wenn einer Stasi ruft, setzt sofort der Speichelfluss ein." Und noch viel schlimmer: Wenn es um die Linken oder die DDR gehe, würden journalistische Regeln nicht gelten. Wegners Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen.

Und das will Schölzel jetzt beweisen. Auf einer Leinwand hinter ihm flammt ein Bild auf. Es erscheint der "Panorama"-Beitrag. Der Kameramann schwenkt drauf, ARD filmt ARD. Dann erscheint Christel Wegner auf dem Schirm. "Was haben die Staatssicherheit und Mauertote mit humanistischem Erbe zu tun?", fragt die Sprecherstimme. Laut DKP-Programm ist die DDR "Teil des humanistischen Erbes in Deutschland". Die Abgeordnete zögert. Unsicher schaut sie aus der Leinwand heraus. Die Genossen schauen gebannt zurück.

Dann sagt sie es, ganz zögerlich: "Also jeder Staat versucht ja, sich sozusagen vor Angriffen von außen zu schützen." Und: "Ich denke, nur, wenn man eine andere Gesellschaftsform errichtet, dass man da so ein Organ wieder braucht, weil man sich auch davor schützen muss, dass andere Kräfte, reaktionäre Kräfte, die Gelegenheit nutzen und so einen Staat von innen aufweichen." Die DKP sei also für die Wiedereinführung der Stasi, fasst der Sprecher zusammen. Und genau das bringt Schölzel auf die Palme. Von Wiedereinführung der Stasi habe Wegner doch nie etwas gesagt.

Auch Koschmieder will das aus Wegners Äußerungen nicht herausgehört haben. Und überhaupt: So etwas wie eine Staatssicherheit gebe es ja auch in der BRD. "Eben", ruft ein Weißhaariger mit braun getönter Brille. Auch Chefredakteur Schölzel nickt. Er muss es wissen. Er war selbst bei der Stasi.

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