Großstadtidylle: Stadtgärtner suchen Sponsoren für Nachbarschaftsidyll

Der Nachbarschaftsgarten Rosa Rose in Friedrichshain soll geräumt werden: Anwohner starten Spendenkampagne, um die Grundstücke zu kaufen.

Noch würden die Rosen in diesem Frühjahr blühen. Aber wer weiß wie lange noch. Bild: Archiv

Kein Wetter, um im Garten zu sitzen: Es regnet seit Tagen, und im Nachbarschaftsgarten Rosa Rose steht das Wasser zwischen Kräuterschnecke, Kinderbeet und Gemüsebeeten, auf denen im Winter Mangold und Grünkohl wächst. Vor bald vier Jahren haben die AnwohnerInnen auf der Brache in der Friedrichshainer Kinzigstraße einen Garten angelegt, der allen offen steht. Jetzt ist das Kleinod bedroht: Die Grundstücke, auf denen der Garten liegt, wurden verkauft, die neuen Eigner verlangen eine Räumung des Geländes.

Die Oderberger Straße liegt in Prenzlauer Berg, dem Szenekiez der 90er-Jahre. Im Sommer gleicht die Straße einem Garten. Café-Betreiber, Ladenbesitzer und Anwohner - darunter Studenten, Überlebenskünstler, Familien mit Kindern und Singles - pflegen üppig wuchernde Biotope in Kübeln, Kisten und mit kleinen Steinmauern umfriedete Hochbeete auf den breiten Bürgersteigen. Die grüne Anarchie überstand sämtliche Sanierungsprozesse und den sozialen Aufschwung der Straße.

Im vergangenen Herbst wurden jedoch Pläne des Bezirks bekannt, wonach die holprigen, noch aus DDR-Tagen stammenden Bürgersteige auf Westniveau geklopft und die Hochbeete beseitigt werden sollten. Begründung: die Begehbarkeit solle gesichert und verbessert werden. Doch die neu gegründete Bürgerinitiative Oderberger Straße (Bios) verteidigte die selbst kreierten Gärten und Plätze gegenüber dem Bezirksamt und erkämpfte sich ein Mitspracherecht bei der Umgestaltung. Wie das genau aussieht, wenn 2009 die Bagger anrücken und die Straße umgestalten, ist noch offen.

Rainer W. Ernst stellt sein Copyright-Konzept auf einer Veranstaltung der Kunsthochschule Weißensee am kommenden Dienstag im GLS-Sprachenzentrum in der Kastanienallee 82 vor (29. 2., Beginn: 19 Uhr). Am 1. und 2. Februar veranstaltet die Bios zudem einen Workshop am selben Ort, um ein Gestaltungs- und Sanierungskonzept für die Oderberger Straße zu erarbeiten. Beginn ist am Freitag um 17 Uhr. Eingeladen sind alle Mitstreiter, Freunde und Begleiter der Initiative. Für Kinderbetreuung ist gesorgt. TAZ

Die Altbauten der Kinzigstraße 11, 13 und 15 waren kurz vor der Wende gesprengt worden, doch zum Bau der geplanten Plattenbauten kam es nicht mehr. So bildete die Brache eine der wenigen Freiflächen im dichtbebauten Friedrichshain. Zu schade, um sie nur als Müll- und Schutthalde zu nutzen, dachten sich AnwohnerInnen und ergriffen die Initiative.

Im Mai 2004 befreiten sie in einer ersten Aktion den Garten vom Müll, anschließend lernte man sich bei Kaffee und Kuchen kennen.

Heute trennt ein Zaun die Brache in zwei Teile, wegen der Hunde, über die man sich nicht einigen konnte und die jetzt auf der einen Seite Platz zum Rennen haben. Auf der anderen treffen sich im Sommer die Nachbarn zu Grillfesten, Konzerten und Theateraufführungen, spielen Kinder im Sandkasten und auf der Wiese, bauen Stadtgärtner ihr eigenes Gemüse an. "Gerade für die Kinder, die hier aufwachsen, ist das schön, mal mitzubekommen, wie etwas wächst", sagt Corinna Schweda, die eine Straße weiter wohnt und regelmäßig im Garten mitarbeitet. "Die Leute, die hier wohnen, können sich ja keine Laube irgendwo im Grünen leisten."

Auch Senat und Bezirk unterstützen das Projekt: Weil die Menschen, die hier gärtnern, auch aus Großbritannien, Italien, Spanien, Polen, den USA und Israel kommen, führt der Senatsbeauftragte für Integration und Migration den Nachbarschaftsgarten in seiner Broschüre zu Interkulturellen Gärten als gelungene Anlauf- und Begegnungsstätte auf.

Einen Mietvertrag gibt es für die Flächen jedoch nicht. "Wir haben von Anfang an versucht, einen Zwischennutzungsvertrag zu bekommen", sagt Frauke Hehl, eine von etwa 15 Menschen, die sich aktiv um den Garten kümmern. Aber die Grundstücke waren über viele Jahre hinweg in Händen von Insolvenzverwaltern, und dort hatte man kein Interesse, die Flächen an Zwischennutzer zu vermieten.

Im Sommer 2007, das haben die GartennutzerInnen inzwischen mitbekommen, wurden die Grundstücke zwangsversteigert. Am 3. Januar erhielt die Gartengruppe einen Brief der BAG Immobilien GmbH, der jetzt die Grundstücke Kinzigstraße 13 und 15 gehören. Die NutzerInnen sollten die Flächen bis 10. Januar räumen und übergeben.

Das haben sie nicht gemacht - stattdessen hat die Gruppe nun eine Kampagne gestartet, um die Grundstücke selbst zu kaufen. Und wartet auf eine Rückmeldung von Seiten der Besitzer. Bisher habe die BAG Immobilien ihnen nur ein völlig überteuertes Kaufangebot unterbreitet, sagt Hehl. "Das lag zwei- bis dreimal über dem hier in der Gegend üblichen Bodenpreis."

Auf ein zweites, realistischeres Angebot warten sie noch. Mit dem neuen Besitzer der Kinzigstraße 11 fand ein persönliches Gespräch statt. Er hat der Gruppe angekündigt, dass dort schon bald "familiengerechtes Wohnen" entstehen soll, der Bauantrag sei schon gestellt.

Die Friedrichshainer Gartengruppe hat dennoch Hoffnung, dass die Eigentümer mit sich verhandeln lassen. So haben sie sich bereits mit der gemeinnützigen Stiftung Trias verständigt, die bereit ist, die Grundstücke aufzukaufen. "Doch dazu brauchen wir jetzt erst mal Geld", sagt Frauke Hehl. Flyer hat die Gruppe bereits drucken lassen, am Samstag lädt sie zur "Wintergartennotfallparty", um auf die drohende Räumung aufmerksam zu machen. "Wir stehen da eher noch am Anfang", so Corinna Schweda. "Bisher sind die meisten von uns ja eher gekommen, um zu gärtnern. Und wir machen das ja alle ehrenamtlich nebenher."

Jetzt hoffen die Stadtgärtner, Spender "mit etwas mehr Geld" zu finden, die das Projekt unterstützen. So wie in New York: Dort kaufte die Schauspielerin Bette Midler 1999 mehr als 60 bedrohte Community Gardens (Nachbarschaftsgärten) und sicherte sie in Form einer Stiftung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.