Polizei mit Fahndungsproblemen: Tätersuche in sprachlosen Communitys

Bei der Suche nach den Eltern eines in Köpenick tot aufgefundenen Babys tappt die Polizei im Dunkeln. Die Eltern des Kindes sind laut DNA-Analyse Asiaten - aber in Berlin gibt es kaum Ansprechpartner der asiatischen Vereine.

Das am vorletzten Sonntag im Köpenicker Forst gefundene tote Baby hatte laut DNA-Analyse asiatische Eltern. Die Polizei sucht jetzt eine Asiatin, die schwanger war und ohne Kind angetroffen wird. Dabei steht sie vor einem großen Problem: Es fehlen die Ansprechpartner in der asiatischen Community.

Das Baby, das bei der Geburt noch gelebt hat, wurde in einem Rucksack aus thailändischer Produktion gefunden. Der Rucksack wurde in kleinen Stückzahlen hergestellt und nach Kenntnis des Herstellers nicht exportiert. Das spräche für eine thailändische Herkunft der Eltern. Die größte asiatische Gruppe in Köpenick sind aber Vietnamesen, sodass die Mordkommission auch eine vietnamesische Mutter für möglich hält. Oder eine chinesische.

Doch weder die knapp 6.000 Thailänder in der Stadt noch die etwa ebenso zahlreichen Chinesen haben professionelle Vereine, die für die Mehrheitsgesellschaft ansprechbar sind. Dagmar Yü-Dembski vom Konfuzius-Institut der Freien Universität sagt: "Chinesische Vereine sind entweder Pagodenvereine oder sie rekrutieren sich aus ganz konkreten Herkunftsregionen und pflegen in erster Linie die Heimatbindung." Untereinander seien Vereine von Chinesen aus der Volksrepublik und solche aus Taiwan zerstritten. "Gegenüber Ämtern haben sie große Vorbehalte. Und gerade familiäre Themen werden im eigenen Kreis geklärt und nicht in die Mehrheitsgesellschaft getragen."

Familiäre Konflikte in asiatischen Familien sind meist eine strenge hierarchische Unterordnung der jungen unter die ältere Generation. Ähnlich wie bei islamischen Zuwanderern sollte eine Frau als Jungfrau in die Ehe gehen, Töchter haben wenig Freiräume. Während das für türkische und andere islamische Communitys bekannt ist, weiß kaum jemand, dass es diese Probleme bei den Asiaten auch gibt. Und in den asiatischen Vereinen bleibt man unter sich: Vielleicht konnte die Mutter des toten Babys kein Deutsch und hatte nie von einer Babyklappe gehört?

Als einzige große asiatische Gruppe verfügen die Vietnamesen über vier von der öffentlichen Hand geförderten Vereine. Die haben am Montag von der Polizei Fahndungsplakate in vietnamesischer Sprache bekommen und sollten sie in ihren Räumen aushängen. Die Kriminalpolizei selbst hat am Sonntag die Plakate in chinesischer, thailändischer und vietnamesischer Sprache auch in den großen Asiamärkten in Lichtenberg ausgehängt. Diese Märkte sind Zentren des asiatischen Lebens. Die Marktbetreiber aber sind nicht für eine Kooperation mit Behörden bekannt. Am Montag bereits waren mehrere Plakate abgerissen und durch Werbung ersetzt.

An muttersprachlichen Medien, in denen die Polizei die asiatische Bevölkerung um Mithilfe bitten kann, gibt es lediglich die vietnamesischsprachige Sendung von Radio Multikulti. Dort wurde über das tote Baby berichtet. Im multikulturellen Radio haben Zuwanderer aus den traditionellen Anwerberstaaten die Sendezeiten unter sich aufgeteilt. Die gut integrierten 10.000 Griechen in Berlin und Brandenburg verfügen über 185 Minuten wöchentliche Sendezeit in ihrer Sprache. Für 1.000 Slowenen und 5.000 Mazedonier gibt es je 30 Minuten, eine Viertelstunde weniger als für 17.000 Vietnamesen, von denen viele trotz 20 Jahren Aufenthalt in Deutschland kaum Deutsch sprechen. Die 7.000 Chinesen und 6.000 Thailänder, die oft ebenso schlecht integriert sind, gehen leer aus.

Was es an chinesischen Printmedien gibt, beschreibt Yü-Dembski so: "Die Zeitschriften erscheinen in geringen Auflagen und beschäftigen sich hauptsächlich mit chinesischer Politik." Integrationsthemen? Fehlanzeige. So bleibt der Polizei wohl gar nichts anderes übrig, als die abgerissenen Plakate immer wieder zu erneuern.

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