Besuch in der Akademie der Visionauten: Utopien endlich umsetzen

Bei der Akademie der Visionauten lernen Kreative, wie sie ihre Ideen erfolgreich verwirklichen. Mut, Fantasie und Professionalität sind Leitmotive der Organisatoren.

Gute Ideen sollte man überall notieren Bild: dpa

Es war ihr nicht genug. Die Studentin Jutta Goldammer wollte die Welt verändern, Traditionen umstürzen, Visionen leben. Doch ihr Umfeld bremste sie aus. "Ich bin mit meinem Tatendrang gegen Wände gelaufen", sagt die Pädagogin rückblickend. Sie packte die Wut. Zehn Jahre später präsentieren Jutta Goldammer und ihr Mann nun das erste Ergebnis des studentischen Zorns: Das Paar hat die "Akademie für Visionautik" gegründet. Von Samstag an veranstalten sie erstmals einen Workshop, um anderen Impulse und Handwerk für die Umsetzung ihrer Ideen zu geben.

Im Grundton seien die interessierten "Visionäre" mit ihrem Leben zufrieden, möchten aber "gern noch etwas draufsetzen", sagt die 37 Jahre alte Jutta Goldammer. Dem kommt die Akademie mit einem Programm aus kreativen Denkwerkstätten und praxisorientierten Blöcken nach: Mut, Fantasie und Professionalität sind Leitmotive. "Uns ist wichtig, die Ideen und Projekte auch zu unterfüttern", so Goldammer. Allzu oft habe sie in Zukunftswerkstätten und bei Kongressen erlebt, wie Utopien ohne jeglichen Praxisbezug entwickelt wurden - und verpufften. Insofern lernen die Teilnehmer nicht nur, sich Freiräume zu schaffen und herauszufinden, was sie wirklich wollen. Sie werden auch in Projektmanagement, Marketing und Finanzierung unterrichtet und erhalten Strategien an die Hand, wie man in schwierigen Phasen durchhält.

Ort der Zukunftsschmiede ist das HUB am Erkelenzdamm, einem Großraumbüro mit Kreativwirtschaftlern. Die ehemaligen Fabrikräume sind großzügig angelegt, Möbel zum großen Teil aus Recyclingprodukten gefertigt, es gibt eine Gemeinschaftsküche, eine Ruheplattform mit Matratzen und Kissen und vor allem: Jede Menge Plakate zum Ideenanbringen. Selbst auf der Toilette können Besucher ihre Verbesserungswünsche auf Papier kritzeln. Ähnliche Innovationszentren gibt es etwa in England, den Niederlanden und Johannesburg, die Gemeinschaften sind vernetzt.

Von diesem Austausch profitieren Boris und Jutta Goldammer enorm. Sie sind nach dem Studium aus dem Südwesten Deutschlands nach Berlin gezogen. Beide arbeiten selbständig, er als Architekt, sie in der Organisationsentwicklung. Die Visionauten-Akademie treiben sie nebenbei voran, auch wenn die Vorbereitung des Workshops zuletzt alle Zeit in Anspruch nahm. "Viele Kontakte entstehen hier von Schreibtisch zu Schreibtisch", sagt Boris Goldammer. Ein Großteil des Marketings für die Akademie funktioniert so, und es findet sich immer jemand, der Internetauftritte bastelt und Flugblätter entwirft. Im Kernteam der Akademie arbeiten inzwischen sieben Menschen mit.

Für die Akademie haben sich ein gutes Dutzend Interessenten angemeldet. Die meisten sind zwischen 30 und 50 Jahren alt. Einige kommen mit konkreten Ideen: Eine Frau plant ein ganzheitliches Gesundheitszentrum, bei ihr dürfte es eher um Budgetierung und Vermarktung gehen. Eine Gruppe will aus einem einmaligen Outdoor-Event ein langfristiges Projekt machen. Andere folgen eher dem Drang, dem Leben eine neue Stoßrichtung zu geben - und wollen erst einmal herausfinden, welche Richtung sie einschlagen sollen.

Jutta und Boris Goldammer geht es nicht darum, Projekte zu bewerten: "Wir liefern die Methodik und das Ambiente." Und sie bringen ihre Erfahrungen ein: Schließlich verwirklichen auch sie mit den "Visionauten" einen Traum und verlassen gesicherte Pfade. Unterstützt wird die Akademie von mehreren Dozenten.

Wer kann, zahlt 1.250 Euro für die acht Tage, es gibt Stipendien. Die Stifter sind vor allem Dozenten, die auf ihr Honorar verzichten. Die Auswärtigen wohnen bei Berliner Gastfamilien, das Rahmenprogramm organisiert die Akademie mit. So soll es eine Schnitzeljagd durch die Stadt geben, bei der die Teilnehmer fremden Menschen begegnen müssen und sich an bekannten Orten irritieren lassen sollen. Hernach möchten die Goldammers ihre Visionäre gern weiterbetreuen; zudem planen sie einen zweijährigen Studiengang mit einem (privaten) Abschluss als Visionaut.

VISIONAUTIN JUTTA GOLDAMMER

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