Arbeitskampf: Ver.di wird rabiat

Im seit Monaten dauernden Tarifkonflikt im Einzelhandel greift Ver.di zu neuen Kampfformen: Mit linken Gruppen will man eine Einzelhandelsfiliale blockieren.

Die Ankündigungen erinnern an die klandestine Vorbereitung für eine Antifa-Aktion: Am Freitagmorgen um 6 Uhr will ein Bündnis linker Gruppen eine Supermarktfiliale blockieren - der genaue Ort wird erst kurz vorher bekannt gegeben. Doch es sind keine Linksradikalen, die die BerlinerInnen am Einkaufen hindern wollen: Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di will mit der für sie ungewohnten Kampfform der Blockade etwas Bewegung in den seit mehr als 17 Monaten dauernden Streik im Einzelhandel bringen.

Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten einen neuen Manteltarifvertrag. Der letzte war am 31. Dezember 2006 von den Arbeitgebern gekündigt worden. Sie bieten nun Lohnerhöhungen zwischen 1,5 und 2,5 Prozent. Ver.di in Berlin-Brandenburg fordert neben einer Lohnerhöhung von 6,5 Prozent die Beibehaltung der Zuschläge für Spät- und Nachtarbeit. Bei der enormen Ausweitung der Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel hätten diese Zuschläge für die Beschäftigten eine große Bedeutung, betont Erika Ritter, beim Ver.di-Landesverband Berlin-Brandenburg für den Fachbereich Handel zuständig.

Dass der Einzelhandelsstreik anders als die Ausstände kürzlich bei der Bahn AG oder der BVG wenig Aufmerksamkeit erfährt, liegt für Ver.di-Fachfrau Ritter vor allem am Einsatz von rund um die Uhr verfügbaren Leiharbeitskräften, die als Streikbrecher eingesetzt werden. Außerdem lasse der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Einzelhandel einen flächendeckenden Streik nicht zu. "Mit dem Aktionstag probieren wir etwas völlig Neues", erklärt Ritter.

Petra Stein vom Berliner Mayday-Bündnis, das ebenfalls zum Aktionstag aufruft, ergänzt: "Die KonsumentInnen beginnen sich auf einmal für die Arbeitsbedingungen in der Filiale ihres Vertrauens zu interessieren. Schließlich gibt es schon länger Zertifikate für faire Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Produkten in der sogenannten Dritten Welt."

Stein sieht im Kampf gegen die zunehmende Prekarisierung von Arbeitsbedingungen einen weiteren Grund für die Unterstützung. Schließlich sei der Einzelhandel mit dem zunehmenden Einsatz von Leiharbeitskräften und der Aushebelung von Tarifverträgen ein Vorreiter für andere Branchen. Das Mayday-Bündnis, das in Berlin seit drei Jahren am 1. Mai eine Parade gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen organisiert, veranstaltete am 24. April einen Workshop unter dem Motto "Wie streiken in prekären Zeiten?". Daran nahm auch eine Delegation der streikenden VerkäuferInnen teil.

Neben dem Mayday-Bündnis beteiligen sich weitere linke Gruppen wie "Für eine linke Strömung" (Fels) oder die "Gruppe Soziale Kämpfe" an dem Aktionstag. Unter www.dichtmachen.org wurde mittlerweile eine Homepage eingerichtet. Die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft soll nicht auf einen Tag beschränkt sein. "Die Aktion am Freitag ist für uns erst der Anfang", betont Ritter.

Trotz der schwierigen Streikbedingungen im Einzelhandel kann die Gewerkschaft auf erste Erfolge verweisen. So haben nach den massiven Streikaktionen in der Vorweihnachtszeit einige Einzelhandelsketten wie Rewe mit der Gewerkschaft schon Vorschaltverträge geschlossen.

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