Ein Jahr Nichtraucherschutzgesetz: Viel Rauch um Nichts

Magere Bilanz nach einem Jahr Nichtraucherschutzgesetz: Statt striktem Rauchverbot macht in manchen Bezirken jeder Kneipier, was er will. 2009 soll es ein revidiertes Gesetz geben. Dann werden wohl die meisten Kneipen wieder.vollgequalmt

Wieder häufiger gesehen in Kneipen: Die Zigarette. Bild: AP

Die Zigarette ist out - aber nur in Kreuzberger oder Friedrichshainer Kneipen. Ein paar Schritte weiter sieht es schon ganz anders aus: In Neuköllner Kneipen wird gequalmt wie eh und je. Dort wird das Rauchverbot fast komplett ignoriert.

Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes spricht Johannes Spatz, Sprecher des Forums Rauchfrei, von einer "verheerenden Bilanz" in Berlin. Während einige Bezirke offensiv kontrollierten, gebe es in anderen Bezirken gar keine Kontrollen, so Spatz zur taz. Und in der Tat: Ausgerechnet im rebellischen Friedrichshain-Kreuzberg hält sich die Mehrzahl der Kneipiers und Restaurantbesitzer ans Raucherverbot. In Neukölln werden zwar die meisten Verstöße gemeldet. Sanktionen gibt es dort jedoch selten. Dass Bezirke die Kneipen sehr unterschiedlich kontrollierten, bestätigt Klaus-Dieter Richter vom Berliner Gaststättenverband.

Weil inzwischen jeder Kneipier das Gesetz so auslege wie er will, werde es enorm verwässert, moniert Spatz. In anderen Ländern Europas sei mit der Einführung des Rauchverbots der Anteil von Qualmern bis zu 17 Prozent gesunken; in Berlin liege der Rückgang zwischen drei und neun Prozent. "Ein zweistelliger Bereich wäre drin gewesen", so Nichtraucheraktivist Spatz.

Dabei fing das Jahr vielversprechend an. Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hatte zum 1. Januar 2008 ein striktes Rauchverbot für alle Kneipen und Restaurants in Berlin verhängt. Ausnahmen sollte es nur für Kneipen geben, die über abgetrennte Zweiträume verfügen. Doch zum absoluten Rauchverbot ist es nie gekommen. Aus Kulanz gewährte der rot-rote Senat im ersten Halbjahr zunächst eine Übergangszeit und verzichtete darauf, Verstöße zu ahnden. Ende Juli kippte das Bundesverfassungsgericht das Rauchverbot mit der Begründung, dass das Berliner Gesetz das Grundrecht der Berufsfreiheit verletze, wenn Kleingastronomen keine Raucherkneipe anbieten dürften, große Mehrraumkneipen hingegen schon. Beim Nichtraucherschutz herrscht im Berliner Gastgewerbe seitdem ein Tohuwabohu.

Trotzdem spricht die Gesundheitsverwaltung von einem Erfolg: "So viel Nichtraucherschutz gab es noch nie", sagte Marie-Luise Dittmar, Sprecherin von Senatorin Lompscher. Es gebe einer immer größere gesellschaftliche Akzeptanz für das Raucherverbot, so Dittmar. "Die Leute sind froh, wenn sie nach einem Restaurantbesuch nicht mehr stinken." Dittmar beteuerte, dass sich die Gesundheitssenatorin auch für Berlin ein generelles Rauchverbot gewünscht habe. Ein absolutes Rauchverbot wie in Bayern wäre verfassungskonform. Dies sei politisch aber nicht durchsetzbar, so die Sprecherin. Sowohl bei der Linkspartei als auch bei der SPD gibt es großen Widerstand. Vieles deutet daraufhin, dass Rauchen mit dem für kommendes Jahr angekündigten revidierten Gesetz sowohl in kleinen Einraumkneipen als auch in abgetrennten Raucherräumen gestattet bleibt.

Von einer "Blamage für Lompscher", spricht hingegen Nichtraucheraktivist Spatz. "Wenn sie keine Mehrheiten findet, soll sie gefälligst dafür kämpfen."

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