Bundestagswahl: Direktmandate in Berlin: Von Siegern und Besiegten

Prominentester Verlierer ist Wolfgang Thierse (SPD), der in Pankow verliert. Das beste Erststimmenergebnis holt Petra Pau (Linke) in Marzahn-Hellersdorf.

Die SPD-Schlappe hatte am Wahlabend viele Gesichter, aber keines war so prominent wie das von Wolfgang Thierse. Der Spitzenkandidat der Berliner SPD und bisherige Bundestagsvizepräsident brach in seinem Wahlkreis Pankow komplett ein und rutschte von über 41 Prozent bei der vergangenen Wahl auf knapp über 27 Prozent ab. Das Direktmandat nahm ihm im zweiten Anlauf der frühere Fraktions- und Landeschef der Linkspartei ab, Stefan Liebich. Kleiner Trost: Thierse kommt über die Landesliste seiner Partei wieder in den Bundestag.

Komplett leer geht der frühere SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter aus. Er verlor weitaus klarer als 2005 im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf, und auf der Landesliste steht er zu weit hinten. Ähnlich ging es Treptow-Köpenick einer anderen großen Nummer der Sozialdemokraten: Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel, rechte Hand von Parteichef Franz Müntefering, der von "realistischen Chancen" auf einen Wahlsieg gegen Gregor Gysi (Linkspartei) gesprochen hatte, ging völlig unter. Müde 18,2 Prozent reichten noch nicht mal für Platz 2 im Wahlkreis.

Seinen letzten Posten hat am Wahlabend Ingo Schmitt verloren, lange Jahre als Vorsitzender, Abgeordneter auf allen Ebenen und Strippenzieher der starke Mann der CDU. Dass er in Charlottenburg-Wilmersdorf das Direktmandat um 1,8 Prozentpunkte verpasste, sicherte ausgerechnet seiner großen innerparteilichen Gegnerin Monika Grütters den Verbleib im Bundestag. Hätte Schmitt gewonnen, hätte ihr auch die Spitzenkandidatur auf der Landesliste nichts genützt: Die sechs nach Zweitstimmen auf die Union entfallenen Mandate wären dann schon durch sechs Direktmandate besetzt gewesen. So waren es nur fünf, Grütters konnte über die Liste auffüllen.

Wiederum eine Ausnahmeerscheinung bildet Hans-Christian Ströbele in Friedrichshain-Kreuzberg. Er konnte sein Direktmandat, das bundesweit einzige der Grünen, nicht nur verteidigen, sondern sein Ergebnis gegenüber 2005 auch noch steigern. Das ist umso bemerkenswerter, als SPD-Kandidat Björn Böhning einen sehr starken Wahlkampf hingelegt hatte. Aber auch andere grüne Bewerber holten über 20 Prozent: Spitzenkandidatin Renate Künast in Tempelhof-Schöneberg sogar 26, nur 6 Prozentpunkte weniger als der CDU-Wahlkreissieger. Ähnlich gut schnitt der grüne Exsenator Wolfgang Wieland in Mitte ab. Gut möglich, dass sein Wahlkampfslogan "Wirklich Wieland" sich beim SPD-Publikum auszahlte. Denn SPD-Kandidatin Eva Högl hatte sich parteiintern erst gegen den Landesparlamentarier Ralf Wieland durchsetzen müssen, was nicht allen SPDlern im Bezirk gefiel.

Das berlinweit beste Erststimmenergebnis aber holte Petra Pau in Marzahn-Hellersdorf mit 47,6, auf nur ein Zehntel weniger kam Gesine Lötzsch (beide Linkspartei) in Lichtenberg. Die beiden hatten von 2002 bis 2005 mit ihren Direktmandaten die damalige PDS allein im Bundestag gehalten - heute sind sie Teil einer 76-köpfigen Fraktion.

Dem Bundestag gehören demnächst auch vier bisherige Mitglieder des Abgeordnetenhauses an: neben Liebich die früheren Fraktionschefs Frank Steffel (CDU) und Martin Lindner (FDP) sowie die Grüne Lisa Paus.

STEFAN ALBERTI

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.