Millionengrab in Spandau: Wasserstadt läuft noch tiefer auf Grund

Wegen möglicher Investitionsausfälle und einer Pleite durch den Bau der Wasserstadt Oberhavel verklagen zwei Unternehmen nun die Stadt auf Schadenersatz.

Das Millionengrab "Wasserstadt Oberhavel" in Spandau könnte das Land Berlin noch teurer kommen als bisher. In der kommenden Woche verhandelt das Landgericht die erste Klage auf Schadenersatz. Die Vereinigte Molkereizentrale (VMZ) will vom Senat 34 Millionen Euro Entschädigung für hohe Investitionsausfälle und nicht erhaltene Ausgleichszahlungen. Drei Monate später wird erneut vor Gericht gestritten. Das ehemalige Stahl- und Metallunternehmen Crampe fordert vom Land Berlin für das einstige Firmengelände eine Kaufsumme in Höhe von 10 bis 15 Millionen Euro. Sollten die Kläger Recht erhalten, erhöhten sich die Kosten des Landes für das desaströse Wasserstadt-Bauvorhaben von 450 Millionen Euro auf eine glatte halbe Milliarde.

Für die VMZ trägt das Land Berlin die Schuld an ihren Einbußen: "Wir wurden vom Senat 15 Jahre lang in unserer Entwicklung gehindert, weil wir kaum investieren konnten", erklärt VMZ-Chef Kurth Meinke. Erst habe Berlin, vertreten durch die Entwicklungsgesellschaft "TET Wasserstadt Berlin-Oberhavel GmbH", den Kauf der Firmengrundstücke in Aussicht gestellt, um ab 1992 Bauflächen für die neue Großsiedlung zu gewinnen. Der Verkauf kam nicht zustande.

Dann wurden ab 1994 Ausgleichszahlungen an die Molkereizentrale vereinbahrt, aber ein paar Jahre später eingestelllt. 2002 stand der Verkauf erneut auf der Tagesordnung, wurde aber wieder abgeblasen, weil das Unternehmen Wasserstadt vor der Abwicklung stand und dann eingestellt wurde. Meinkes Anwalt sieht neben dem Investitionsausfall eine Täuschung. Sein Mandant sei jahrelang "in dem Glauben gelassen worden", dass ein Vertrag unterzeichnet wird, der jedoch nie zustande kam. Er beziffert die VMZ-Forderungen auf 34 Millionen Euro.

Bei Crampe, der jährlich bis zu 200.000 Tonnen Stahl verarbeitete, lief es ähnlich. Der Betrieb wurde zwar nach Brandenburg/Havel verlegt. Crampe erhielt als Ausgleich Hilfen vom Senat in Höhe von rund 20 Millionen Euro - was aber nicht reichte. Der Fehlbetrag sollte durch den Verkauf des Grundstücks auf dem Wasserstadtareal aufgefangen werden. Die Verhandlungen schleppten sich acht Jahre hin, das Grundstück kaufte die TET dennoch nicht. Die "Drahtverarbeitung Crampe" musste Insolvenz anmelden, Thomas Crampe schloss 2002 den Betrieb. Die acht langen Jahre hätten der Firma das Genick gebrochen, da die Behörden den Kauf bewußt verschleppten, meint Crampe.

Die VMZ und Crampe sind Unternehmen, die der hochfliegenden Nachwende-Euphorie in die Quere kamen - und nun, wie die Wasserstadt selbst, als Verlierer dastehen. Die Firmen sollten Anfang 1990 von ihren Flächen weichen, damit für das geplante Bauvorhaben große Wohngebiete erschlossen werden konnten. Heute, gut 15 Jahre danach, ist die Wasserstadt samt vier weiteren Entwicklungsgebiten zum Fiasko geworden, weil die Stadt auf ihren Grundstücken sitzen blieb. Denn Berlins Einwohnerzahl stieg nicht und vor der Stadt taten sich billige Grundstücke auf. Knapp 1,2 Milliarden Euro kosteten sie den Steuerzahler, gut 450 Millionen sind es in Spandau. 12.700 Wohnungen waren dort geplant, gebaut wurden nur 3.800.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht sich nicht in der Verantwortung. Der lange Zeitraum sei keine Verschleppungstaktik, sondern - etwa wegen möglicher Kontaminierungen - nötig gewesen, so die Verwaltung.

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