Essen in Raucherkneipen: Weder Fisch noch Fleisch
Kleine Raucherkneipen müssen laut Urteil des Verfassungsgerichts auf "zubereitete Speisen" verzichten. Doch die Behörden drücken sich um eine Definition.
In den Kneipen geht es weiter um die Wurst. Denn immer noch ist unklar, welche Speisen in Raucherkneipen verkauft werden dürfen. Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende Juli, das Zigarettenqualm in sogenannten Einraumkneipen wieder erlaubt hat. Eine Bedingung dafür: Es dürfen keine "zubereitete Speisen" serviert werden. Doch welches Essen fällt darunter: der Kartoffelsalat aus der Packung? Die Brezel? Gar die Bulette, das bisher unangefochtene Standard-Inventar der Berliner Eckkneipe?
Drei Wochen nach dem Urteil aus Karlsruhe gibt es noch keine allgemeingültige Definition von "zubereitete Speisen". Offenbar ist das dem Senat sogar wurst. Denn auf Anfrage verweist die Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Marie-Luise Dittmar, lediglich auf den Hotel- und Gaststättenverband Berlin (DeHoGa), also die Kneipenlobbyisten.
Der Verband selbst hat bisher einen nicht sehr erfolgreichen Versuch unternommen, seine Mitglieder mit einem Rundschreiben aufzuklären. Darin heißt es unter anderem, dass Wirte, die das Rauchen erlauben, keine belegten Brote oder Mahlzeiten aus der Konserve anbieten dürfen. Ungeschältes Obst, Nüsse, Salzstangen, Kekse, Brezeln und Dauerwurst könnten dagegen serviert werden. Ob auch die vom Fleischer bezogene Bulette, die Bockwurst oder der im Handel gekaufte Kartoffelsalat angeboten werden darf, sei allerdings noch unklar, heißt es in dem Rundschreiben weiter.
Doch die Position des DeHoGa ist eindeutig: Natürlich soll der hauptsächlich getränkeorientierte Kleingastronom diese eigentlich "fertigen Speisen" erwärmen dürfen. Sie würden bei reiner Erwärmung auch nicht zu- oder vor-, sondern nur nachbereitet. Albrecht Winkler vom DeHoGa Berlin, der auch als Ansprechpartner in dem Rundschreiben für die Gastronomen genannt wird, sieht deshalb noch Hoffnung für die Bulette und Co.: "Der Sinn des Karlsruher Urteils sollte die Stärkung der Kleingastronome sein. Die Entscheidung zwischen Zigarette und Bulette würde den Charakter der Berliner Eckkneipe zerstören."
Damit das auch offiziell wird, will der Verband weitere Vorschläge zur Klärung der Definitionsfrage machen - und zwar dem Senat, berichtet Winkler. "In den Eckkneipen soll möglich sein, was vorher möglich war."
Ohne eine Klärung dieser Bulettenfrage durch die Behörden könne es in den Bezirken aufgrund unterschiedlicher Interpretationen der Vorgaben zur Wettbewerbsverzerrung kommen, befürchtet der DeHoGa. Momentan liegt es in der Verantwortung der Ordnungsämter und der Gastronomen, abzuwägen, wie sie die Vorgaben des Gerichts praktisch umsetzen.
Allzu große Angst, dass sie bei Kontrollen auffallen, müssen Wirte nicht haben. Denn die Ordnungsämter können momentan kaum die Zigarette in der Hand und die Bulette auf dem Tisch kontrollieren. Allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt es laut Ordnungsamt 4.000 Einrichtungen, in denen Bier verkauft wird, davon sei etwa die Hälfte Kneipen. "Die Vorgaben des Karlsruher Urteils beeinflussen unsere Arbeit kaum. Die Kontrollen beschränken sich auf die bekannten größeren Kneipen. Solange keine Beschwerde vorliegt, sind Eckkneipen von den Kontrollen nicht betroffen", so Peter Beckers, zuständiger Bezirksstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg. Der Grund: Nur drei Mitarbeiter des Ordnungsamts stünden dafür zur Verfügung.
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