Beruf und Familie: Wenn der Vater mit dem Sohne

Was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Männern angeht, so beteuern Firmen gerne ihre Unterstützung für die "neuen Väter". Die Realität ist nicht ganz so rosig, zeigt ein Abend bei der IHK.

Macht Spaß, das Vatersein, braucht aber auch Zeit Bild: AP

Der alte Vater: Die Mutter war zu Hause und kümmerte sich um Kinder und Küche. Der Vater sorgte dafür, dass Geld reinkam. So war das früher immer - und nicht selten ist es heute noch so.

Der neue Vater: Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen haben aber dazu geführt, dass viele Papas der Nullerjahre "ein Modell von Vaterschaft leben, das vor 30 Jahren noch nicht möglich war", sagt Peter Döge vom Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung. Der neue Vater kann sich häufig mehr kümmern, wenn er möchte. GER

Man muss langsam mal aufhören, in Stereotypen und Rollenklischees zu denken. Das fordert an diesem Abend nicht nur die Berliner Staatssekretärin für Wirtschaft, Almut Nehring-Venus. Peter Döge vom Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung hat ein paar Zahlen mitgebracht, die dabei helfen, das eine oder andere Bild zu korrigieren. Der neue Vater beispielsweise ist ziemlich alt, 50 Prozent der Väter sind über 50. Das hat Döge aus einer aktuellen Vaterstudie herausgerechnet. Denn: Vaterschaft endet ja nicht mit der Elternzeit - sondern mit dem Tod. Döge will damit sagen: Der Vater sieht nicht immer so jugendlich-frisch aus, wie der Business-Mann aus der Peek-&-Cloppenburg-Werbung, der im Anzug und mit Baby posiert.

Dieses Bild hat Döge für seinen Vortrag bei der Industrie- und Handelskammer Berlin mitgebracht. Es ist Dienstagabend, der große Saal im IHK-Altbau ist gut gefüllt. Thema: "Neue Väter - Herausforderungen und Chancen für Unternehmen". Der Referent will zeigen: Der neue Vater, der moderne, ist ein aktiver Vater. Er spielt, lernt, kuschelt, tröstet. Und das alles zu einem wesentlich höheren Prozentsatz, als sein eigener Vater das getan hatte, dessen Rolle stärker vom Erzeugen und Ernähren geprägt war. Bei der IHK-Diskussion interessiert man sich nun vor allem für die Frage, wie die aktiven Väter in die Unternehmen hineinpassen. Die Schwierigkeit könnte da immer noch sein, dass Betriebe so einen Vater als Risiko betrachten, fürchtet Nehring-Venus. Schließlich ist er während der Elternzeit im Zweifel erst einmal zu Hause - und auch danach wird womöglich mal das Kind krank, dann fehlt er schon wieder. Wir müssen hart am Weltmarkt kalkulieren, sagen die Bosse, da können wir uns solchen Firlefanz nicht leisten. So etwa nimmt es gelegentlich auch Vaterforscher Döge wahr.

Was die Unternehmer vergessen: Der Vater in Elternzeit ist ein Vater in Ausbildung. Was er da nicht alles lernt: Chaosmanagement, Flexibilität, komplexes Problemlösungsverhalten und Entscheidungsfähigkeit. Wenn der Kleine Bauchschmerzen hat, aber trotzdem ein Eis will, da helfe nicht die Einsetzung einer Eiskommission, da müsse sofort entschieden werden. Das zahlt sich später auch am Weltmarkt aus, findet Döge. Es fehlen jetzt nur noch die Studien, die das alles öffentlichkeitswirksam belegen, glaubt er.

Wenn man dem Podium so zuhört, das sich über die neuen Väter austauscht, dann scheint eigentlich alles sehr prima zu sein. Da ist die Chefin einer Kfz-Werkstatt, in der Kinder bei Bedarf auch mal betreut werden. Väter kriegen jeden zweiten Freitag frei. Es gibt ein Eltern-Kind-Zimmer. Bei Springer, informiert der Personalchef, gibt es den Betriebskindergarten Wolkenzwerge und den Arbeitskreis Diversity, der die Work-Life-Balance sichert, ohne die man qualifizierte Mitarbeiter heute ja gar nicht mehr anzuwerben braucht. Das weiß auch der Personaler von Sanofi-Aventis, ebenfalls ein Unternehmen mit Betriebskindergarten, zweisprachige Erziehung garantiert. Und auch das Paar am Ende des Podiums, beide Führungskräfte, sie IHK, er Hertie-Stiftung, bekommen die Sache wunderbar geregelt. Mal macht sie Elternzeit, mal er. Wenn ein Kind krank ist, bleibt jeder 2,5 Tage in der Woche zu Hause.

"Das ist ja alles sehr positiv, was Sie da dargestellt haben", muss die Moderatorin feststellen. Arbeit und Leben wunderbar in der Balance. Nur der Arzt, 48 Jahre alt, Leiter einer Inneren Intensivstation, hat gemerkt, dass er die zwei Monate, die er mit seiner Tochter zu Hause war, gerade so hinbekommen hat. Es gab keinen Vertreter. Und das ist dann wirklich ein Problem. Das müssen alle zugestehen. Einen Vertreter, dem man richtig vertraut, findet man nicht so leicht, je weiter oben man sitzt, desto schwieriger. Ambitionierte Vertreter nämlich wollen am Ende weitermachen, den Platz nicht mehr räumen. Und so schnell kommt das zweite oder dritte Kind auch wieder nicht. Da schon eher die Rente, bei den neuen alten Vätern. Man braucht also jemanden möglichst ohne große Ambitionen. Der Mann von der Hertie-Stiftung hat glücklicherweise einen ausrangierten Beamten gefunden, der mit 65 viel zu klug ist, um einfach in Rente zu gehen, aber klug genug, um zur richtigen Zeit wieder zu verschwinden. Der Arzt würde beim zweiten Kind gern eine längere Elternzeit einlegen. Aber wie sie das in der Intensivstation hinbekommen, das scheint er noch nicht zu wissen.

Meist ist es ja so, sagt Eberhard Schäfer vom Väterzentrum: Am besten funktioniert es, wenn der Vorgesetzte selbst jung ist und kleine Kinder hat. Oder aber die älteren Herren bei Springer haben berufstätige Töchter, die merken, dass sie nach der Mutter-Auszeit beruflich nicht mehr weiterkommen. Dann rufen die Herren plötzlich bei der Personalabteilung an und sagen, da müsse man doch mal was machen, grundsätzlich. Dort, wo es dieses Bewusstsein nicht gibt, da soll es laut Papa-Treff-Chef Schäfer auch schon dazu gekommen sein, dass gedroht wurde: Wer länger als fünf Monate Elternzeit nimmt, kann gerne zurückkommen - nicht aber an seinen ehemaligen Arbeitsplatz. Auch nicht gerade ein Anreiz.

Besser macht es da schon die Charité, die jetzt einen Väterbeauftragten installiert hat. Schließlich wollen die Väter sich austauschen, nicht nur über die Formalia, auch über Kinderwagenqualität und darüber, wie man das so macht, wenn ein Kunde am Telefon ist und während der Teleheimarbeit das Kind schreit. Bei der Charité ist das mit dem Väterinteresse aber so eine Sache. Eberhard Schäfer sollte dort mal einen Infoabend machen. Es kamen exakt null Väter. Im Fernsehen lief Fußball. Manche Stereotype treffen dann eben doch zu.

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