Riesen-Arena: Zurück zur Mehrzweckhalle

Am Mittwoch eröffnet die Superarena O2 World. Zum Jubel gibt sie kaum Anlass. Anstatt eines Berliner Wahrzeichens ist ein baulicher Bratkloß entstanden - immerhin für 17.000 schwindelfreie Besucher.

Von außen unförmig, von innen durchaus auch imposant: Die neue O2-Arena eröffnet am Mittwoch. Bild: DPA

Dass in Berlin alles, was geplant wird, "zur Bulette" degeneriert, wie ein früherer Bausenator einmal klagte, stimmt nicht. Es gibt gute und ambitionierte moderne Architekturen in der Stadt. Und selbst unter jenen, an denen baulich, finanziell oder politisch viel herumgedoktert wurde, wie bei den Botschaften und der Akademie der Künste am Pariser Platz oder beim Hauptbahnhof, können sich einige international sehen lassen.

Wenn eine Stadt und die Bauherren ausgerechnet bei einem der ehrgeizigsten Großprojekte der vergangenen Jahre dem Klischee des Gewöhnlichen derart Rechnung tragen wie bei der neuen O2 World Arena, ist das doppelt ärgerlich. Wurden doch dem Bauvorhaben, den Investoren und der Architektur keine Steine in den Weg gelegt. Dem 165 Millionen Euro teuren Bau stellte das Land ohne viel Aufhebens das Grundstück zwischen dem Ostbahnhof und der Warschauer Brücke zur Verfügung. Rund 12 Millionen Euro spendierte Berlin für die Erschließung des Geländes bis hinüber zur Spree. Strenge "Gestaltungssatzungen", die der frühere Senatsbaudirektor Hans Stimmann für große Teile der Stadt befahl, fehlten ebenso. Der US-Investor, die Anschutz Entertainment Group, hatte in zwei Jahren Bauzeit freie Hand und jede Menge Geld für die 160 Meter lange Halle.

Die Superarena für 17.000 Zuschauer hätte ein Wahrzeichen Berlins werden können. Leider findet sich von Wahrzeichen an der Multifunktionsarena O2 World aber keine Spur. Nach dem langen Weg über den Vorplatz tut sich den Besuchern ein riesiger dreigeschossiger Bratkloß mit halbrundem Glasballon an der Front auf, dessen marktschreierische LED-Fassade jede Shoppingmall zieren könnte. Darüber erhebt sich, ganz in Blau, wie eine umgedrehte Schirmmütze das Dach. Auf diesem blitzt nicht etwa Berlins Superdome, sondern O2 World - was viel über den Sponsor und das Marketing, aber nichts über Architektur, Atmosphäre und Symbolik einer Großarena aussagt.

Arata Isozakis Sportpalast in Barcelona oder Gottfried Böhms Kölnarena mit ihrem 80 Meter hohen Stahlbogen bilden Beispiele solcher Architekturkonzepte. Sie verkörpern nach außen und innen die Chiffren von Wettkampf, Arena, Stadion, Massenveranstaltungen und Spannung. Form und Funktion sind identisch und lesbar.

Berlin, das seit 1990 über den Bau einer derartigen Arena und ihre Symbolik diskutiert, hat mit der O2 World diese Chance verbaut. Links und rechts des Haupteingangs rahmen zwei steinerne Flügel die Halle. Zwischen den Flächen aus schwarzem Granit und hellem Sandstein, Glas und Beton ducken sich Shops und Ticketstände, O2-Läden, Sportgeschäfte und Gastronomien. 140 Verkaufsstände gibt es in der Arena, die mit Reklame voll bepackt ist und die den Hinweis darauf geben, was Sache ist: Kommerz ist das Konzept.

Bis dato hat die Anschutz Entertainment Group darauf verzichtet, den Architekten zu nennen. Das ist angesichts des ersten Eindrucks sogar verständlich. Repräsentation und Glanz verliert der Bau auch in den niedrigen südlichen und nördlichen Foyers und den Umgängen, die sich über funktionale Gänge, Treppenhäuser und Stiegen rund um die dreistöckige Arena nach oben schrauben. Selbst die 59 Logen (100.000 Euro Jahresmiete das Stück) in dunklem Nussbaumholz und mit schwarzen Ledergarnituren ausgestattet sind - trotz super Sicht auf das Spielfeld - eher bieder eingerichtet.

Das ist insgesamt wenig, simpel und austauschbar für eine Landmarke, in der Wettkämpfe, Popkonzerte und "Premiumveranstaltungen" abgehalten werden sollen. Nichts reizt! - wie in vielen westdeutschen Mehrzweckhallen der 70er-Jahre - die damit konkurrieren könnten.

Es gibt jedoch eine O2 World, hinter der sich der Architekt nicht hätte zu verstecken brauchen. Betritt der Besucher das große Entree und wird von Rolltreppen hinaufgehoben in die erste obere Erschließungsebene, tut sich ein weiter lichter Raum auf, der bis zur Decke reicht. Treppen und Stege, schnittige Galerien und Balkone, schlanke Säulen und Geländer spiegeln ein Bild von baulicher und sportiver Dynamik und Mobilität. Der Blick geht hinaus auf die Stadt und hinunter zur Spree.

Und wendet man sich um, findet der Sog in die Tiefe seine Fortsetzung in der Arena. Mit 17.000 Sitzplätzen - inklusive 3.000 Stehplätzen für die Eisbären-Eishockeyfans - ist die O2 Arena Berlins größte Halle. Es ist ein 160 Meter weites Oval, das perfekte Sicht bietet von allen Plätzen. Anschutz Entertainment hat die drei Ränge - den Unterrang, den Logenrang und den Oberrang - steil und bis unter das Dach errichten lassen, sodass eine dichte Atmosphäre bei voller Auslastung herrscht. Man kann sich vorstellen, wie die Bude kocht, wenn Alba gewinnt, die Eisbären Deutscher Meister werden oder Madonna sich auszieht. Hätte die Halle eine Kuppel und kein flaches Dach, unter dem ein Labyrinth aus Kabeln, Lautsprecher und Lichttechnik hängt und die Perspektive versperrt, man könnte das Velodrom oder die Max-Schmeling-Halle glatt vergessen. Doch so viel bauliche Bulettenware - statt Architektur - um die Arena herum vertreibt diese Gedanken schnell wieder. Schade.

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