Linkspartei in der Krise: Zwei Linke bleiben gesetzlos

Die Linke streitet weiter über das geplante Polizeigesetz, das mehr Videoüberwachung erlauben soll. Der rot-rote Senat könnte seine erste Abstimmungsniederlage kassieren.

Laut den geplanten Änderungen des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Asog) soll die Polizei leichter auf die Videoaufzeichnungen aus U-Bahnen, Bussen oder Bahnhöfen zugreifen können. Neben den Aufnahmegeräten der BVG soll die Polizei auch in bestimmten Bereichen eigene Videokameras installieren können, etwa dort, wo auf U-Bahnhöfen mit Drogen gehandelt wird. Auch bei großen Festen wie der Fußball-WM erhält sie die Befugnis zur Videoüberwachung. Zudem will man 340 Polizeifahrzeuge zur Sicherheit der Beamten mit Videokameras ausrüsten.

Die heftigsten politischen Kämpfe gibt es meist in der eigenen Partei. Das spürt derzeit die Linke. Im seit Wochen schwelenden Streit über die Neufassung des Polizeigesetzes scheinen die Kontrahenten unversöhnlich. Selbst eine dreieinhalbstündige Debatte von Landesvorständlern, Bundestagsabgeordneten, Bezirks- und Senatsvertretern am Dienstagabend hat keine Lösung gebracht. Kommende Woche könnte Rot-Rot seine erste Abstimmungsniederlage dieser Legislaturperiode erleiden.

Das liegt maßgeblich an Evrim Baba. Die frauenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion will trotz heftigen Drucks dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung versagen. "Meine Haltung wurde in der Debatte nicht entkräftet", sagte das Fraktionsvorstandsmitglied der taz. Die geplante Änderung des "Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung", kurz ASOG, geht aus ihrer Sicht "weit über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hinaus". Wie sie am Donnerstag im Abgeordnetenhaus stimmen wird, entscheide sie aber "nicht heute und nicht morgen". Die Zeit bis zur Abstimmung will sie zu Gesprächen mit Parteifreunden nutzen.

Beispielsweise mit ihrer Fraktionskollegin Mari Weiß. Die jugendpolitische Sprecherin hat wie Baba in einer fraktionsinternen Abstimmung gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Gemeinsam könnten die beiden Parlamentarier den vom Innenausschuss bereits verabschiedeten Gesetzentwurf zu Fall bringen. Denn die SPD-Linke-Koalition verfügt im Parlament nur über eine Zwei-Stimmen-Mehrheit. Stimmen die drei Oppositionsfraktionen wie angekündigt geschlossen gegen das Gesetz, ist die Koalitionskrise perfekt. Grünen und FDP geht der Entwurf zu weit, der CDU nicht weit genug.

Fraktions- und Landesspitze der Linken wollen den Plänen widerwillig zustimmen. Zwar glauben sie laut einem internen Papier selbst nicht, dass Videoaufzeichnungen in U-Bahn-Stationen helfen, Straftaten aufklären. Auch stimmen sie Baba zu, dass Videoaufzeichnungen zur Eigensicherung "über die Koalitionsvereinbarung hinaus" gehen. Doch fürchtet die Parteispitze, ein Nein werde die düpierte SPD zu einem permanenten "Kräftemessen" verleiten - und letztlich die Koalition lähmen.

Kritik am Polizeigesetz regt sich auch abseits des Parlaments. Der von Ex-WASG-Leuten dominierte Linke-Kreisverband Neukölln rät den Abgeordneten, mit Nein zu stimmen. Gleiches fordern die Jugendverbände der Koalitionspartner, Jusos und Solid.

MATTHIAS LOHRE

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