polizeigesetz
: Mehr Debatte statt Schnellschuss

Lange Zeit hat es so ausgesehen, als ob es nur zwei Störenfriede gäbe. Die Abgeordneten der Linken, Evrim Baba und Mari Weiß, sind gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung in Bussen, Bahnen und Bahnhöfen und damit gegen das neue Polizeigesetz von Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Selbst ein klares Votum des Linken-Landesvorstands hat die Abweichlerinnen nicht umstimmen können. Damit schien erstmals die zwei Stimmen zählende rot-rote Mehrheit im Abgeordnetenhaus in Gefahr.

Kommentar von UWE RADA

Seit dem Wochenende ist die Sache aber komplizierter geworden. Auch die Jusos sind gegen die Ausweitung der Videoüberwachung. Einen entsprechenden Antrag haben sie auf dem Landesparteitag der SPD am Samstag gestellt – und konnten sich freuen. Der Antrag wurde nach engagierter Debatte nicht abgelehnt, sondern zur Diskussion an die Fraktion weitergegeben.

Nun kann das Prozedere auch eine Beerdigung zweiter Klasse sein, da die Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus bereits seine Zustimmung zum Körting-Entwurf signalisiert hat. Gleichwohl zeigt die Tatsache, dass die SPD die Jusos nicht in Bausch und Bogen niederstimmte: Auch in der SPD gibt es Bedenken gegen mehr Überwachungsstaat. Das Schweigen der SPD zum Fraktionskrach in der Linken war ebenfalls beredt. Nicht einmal der Regierende drohte mit Koalitionskrach, falls das Ganze am Donnerstag scheitere.

Spätestens nach dem Wochenende heißt es also fragen: Warum bereits in dieser Woche abstimmen? Schließlich haben die jüngsten Überwachungsskandale auf Bundesebene gezeigt, wie schnell die Ermittlungsbehörden übers Ziel hinausschießen. Vielmehr sollte die wachsende Aufmerksamkeit genutzt werden – für ein Moratorium.

Lieber noch mal rein in die Debatte als ein Gesetz, das vielen Unbehagen verursacht – oder einen ersten Koalitionskrach.