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: Warten auf den neuen Star

Es dauert eine Weile, bis man in den Gängen der im Baumarkt-Stil errichteten Seeburger Havellandhalle auf ihn stößt. Aber er ist natürlich da. Hinter der Glastür, die zum Restaurant führt, hängt er dezent wie Jesus am Kreuz, der Schutz- und Gründergeist des deutschen Tennisbooms der 80er-Jahre, unser ewig junger Held, Boris. Ohne ihn gäbe es hier, auf dem flachen Land an der westlichen Berliner Stadtgrenze, kein kommerziell erfolgreiches Tenniszentrum.

„It’s very simple, you need stars“, meint auch der aus dem Iran stammende Mansour Bahrami zur Krise des deutschen Tennis. Bahrami war mit dem früheren Top-Ten-Schweden Mikael Pernfors und den deutschen Davis-Cup-Legenden Charly Steeb und Eric Jelen das Zugpferd der Tennis-Classics 2008, die am Sonntag ein rührend dankbares Publikum anzogen.

Aber ein Blick durch die Ränge bestätigt nur Bahramis These: Bum-bum-Initiierte füllen die Reihen, sie haben ihre kleinen Kinder mitgebracht, aber die 15- bis 35-Jährigen fehlen. „350 Kinder spielen regelmäßig bei uns Tennis“, sagt Hallen-Geschäftsführer Peter Dietrich. Davon seien 250 Mädchen. Und die 13-jährige Daria Gajos, die für den in der Havellandhalle beheimateten Verein Rot-Weiß Seeburg erfolgreich antritt, ergänzt: „Die Mädchen haben mehr Biss.“ Dass Tennis für Gajos mehr ist als ein Hobby, liegt auch daran, dass sie die Werner-Seelenbinder-Schule besucht, die für sich als „Eliteschule des Sports“ mit Tennis als Schwerpunkt wirbt.

Ist also alles eine Sache der Förderung? Man könne keine Spitzenspieler backen, sagt Eric Jelen in der Umkleidekabine, während halbnackte Hobbyspieler um ihn herumwuseln. Philipp Kohlschreiber sei eine große Hoffnung. Allerdings, ergänzt Charly Steeb, reiche ein Achtelfinal-Einzug – wie gerade bei den Australian Open – einfach nicht aus, um wirklich neues und junges Publikum zu ziehen.

Auch der braungebrannte Mikael Pernfors bleibt mit Blick auf die Verhältnisse in den USA, wo der 45-Jährige lebt, skeptisch. Für die Kids dort sei Tennis kein Spiel mehr, sondern eine Joboption. Wenn es nicht gleich richtig anlaufe, würden sie sich nach etwas Erfolgversprechenderem umschauen. Insofern warte er auf eine neue Elterngeneration, die ihren Kindern wieder den Spaß am Spiel vermittelt. Heute fehle der Spaß? Na ja, sagt Pernfors, zu seiner Zeit habe der Zuschauer noch den Ball sehen können.

So gesehen heißt die Hoffnung des Tennis vielleicht doch wieder Mansour Bahrami, der sich im Iran vom Balljungen zum Spitzenspieler entwickelte, bis die Islamisten Tennis als westliche Sünde brandmarkten und er das Land verlassen musste. Der Mann ist über fünfzig und er kann mit der Filzkugel immer noch so ziemlich alles machen, was er will. Er gilt als Tennis-Clown, weil er den Ball mit dem Kopf spielt und ihn beim Aufschlag gern mal in die Tasche seiner Hose fallen lässt, anstatt ihn ins gegnerische Feld zu dreschen.

Mansours Komik, mit der er im Doppel mit Jelen gegen Pernfors/Steeb das Publikum zum Fußtrampeln brachte, ist jedenfalls attraktiver als der letzte Geschwindigkeitsrekord beim Aufschlag. Und wenn seine Stopbälle über das Netz zurückhüpfen, rücken die neuesten staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den sich vom Sympathieträger zum Altplayboy entwickelnden Boris Becker dahin, wo sie hingehören: weit ins Aus. AMBROS WAIBEL