Schulreform mit Sparmaßnahmen

betr.: „Die Angst der Lehrer vor der neuen Lehre“, taz vom 29. 2. 08

„Pauken“, „berufsbedingte Sturheit und Reformangst“, „alle beim gleichen Datum strammstehen“ contra jahrgangsübergreifendes Lernen (JÜL) – so einfach ist das also!

Ich bin seit 1972 im Berliner Schuldienst. In den Siebzigerjahren fingen wir mit vielen jungen Lehrerinnen und Lehrern (die wir heute in den Schulen schmerzlich vermissen) an, die Klassentüren zu öffnen, den Frontal- und Paukunterricht abzuschaffen, projektorientiert zu arbeiten und Binnendifferenzierung einzuführen. Hartmut von Hentig eröffnete seine Bielefelder Laborschule und war ein großes pädagogisches Vorbild. Viele engagierte LehrerInnen veränderten die Grundschulen und machten sie zu Lebensräumen für die Kinder. Nicht selten mussten wir diese Reformen gegen konservative Politiker verteidigen. Dass viele dieser kritischen LehrerInnen sich nun von der GEW-Vorsitzenden als „strukturkonservativ“ beleidigen lassen müssen, zeigt, wie undifferenziert und dogmatisch diese Debatte geführt wird. Die Schulen, die JÜL kritisch beurteilen, haben neben organisatorischen Gründen (Raumnot) auch pädagogisch ernstzunehmende Einwände. Außerdem gibt es viele Schulen in diesem Land, die in ihren Klassenverbänden schülerorientiert differenzieren und damit gute Erfolge erzielen. Das Modell JÜL kann nur mit einer besseren Personal- und einer guten Raumausstattung erfolgreich funktionieren. Mehr Personal gibt es jedoch nicht, wie Senator Zöllner auf der Neuköllner Veranstaltung Mitte Februar äußerte. Seit Jahren leidet die Arbeit in den Schulen unter den Spar$zwängen dieses Senats. Wie kann ich denn bei meinen inhaltlichen Widersprüchen zu JÜL auch noch so blöd sein und einer Reform zustimmen, die mal wieder mit Sparmaßnahmen durchgesetzt wird?

RENATE LAUZEMIS, Sonnen-Grundschule Neukölln