Kommentar: Berlin zählt anders

Berlins Statistiker rechnen jetzt mit dem Migrationshintergrund. Doch die neuen Kategorien sind unscharf

Etwas merkwürdig mutet die neue Zählweise der Berliner Statistiker ja schon an. Die wollen künftig nicht nur Ausländer, sondern auch eingewanderte Deutsche und sogar solche, die selber nur Kinder oder Enkelkinder von Einwanderern sind, von den anderen unterscheiden. "Migrationshintergrund" heißt das Merkmal der neuen Gruppe. Wie sollen die anderen heißen: Etwa "Deutsch seit vier Generationen"? Das klingt einerseits ekelhaft vorgestrig und ist andererseits etwas, das auch zugewanderte Spätaussiedlerfamilien (Migrationshintergrund!) durchaus für sich in Anspruch nehmen. Aber auch "sesshafte Deutsche" träfe daneben. Denn ein im Ausland geborenes und später zugezogenes Kind deutscher Staatsbürger gälte nach der neuen Zählweise nicht als Migrant - es sei denn, eins seiner Elternteile hat die deutsche Staatsbürgerschaft nicht von Geburt an.

Man kann über das neue Merkmal gut streiten - etwa darüber, wie lange Zuwanderernachkommen das Attribut Migrant angehängt bleiben soll. Außerdem muss die Frage gestellt werden, welchen Informationswert der Hinweis auf einen "Migrationshintergrund" hat. Denn über Sprachkenntnisse, Bildung, sozialen Status, Lebensgewohnheiten sagt er nichts aus.

Aber vielleicht liegt gerade darin, dass die neue Statistik genau das beweisen kann, ihr Wert. Die dort festgestellten Kieze mit besonders hohem Migrantenanteil sind keineswegs alle Problemkieze - und die mit geringem nicht immer das Gegenteil. Vielleicht kommt das Unbehagen an der getrennten Erfassung von Deutschen mit und Deutschen ohne Migrationshintergrund einfach daher, dass der Begriff Migrant eben vor allem als ausgrenzend, als Makel, in negativem Kontext verwendet wird. Wie unbegründet das ist - genau das aber kann nur die neue Zählweise belegen.

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