wowereits fassaden
: Kleiner Ulbricht, was nun?

Es ist noch nicht lange her, da mussten sich Baustadträte in Mitte des Vorwurfs erwehren, investorenfeindlich zu sein. Ihr Vergehen: Sie wollten großflächige Werbeplakate möglichst klein halten oder gleich aus der historischen Mitte verbannen.

KOMMENTAR VON UWE RADA

Nun aber ist plötzlich alles anders. Nun hat Klaus Wowereit gesprochen. Oder besser: getobt. Über die Kaugummis am Alex, die rosa Fassade an der Alexa, die Betonschluchten am Alexanderplatz. Und siehe da: Plötzlich zaubert Parteifreundin und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer eine neue Gestaltungssatzung aus dem Hut. Das Einzige, was dabei nicht an Walter Ulbricht und sein Diktat einer konservativen Wende in der DDR-Architektur erinnert: Der geschmäcklerische Potentat, der seinen Daumen senkt, und das ausführende Organ sind nicht in ein und derselben Hand.

Scherz beiseite. Die Notwendigkeit einer neuen Gestaltungssatzung ist ebenso groß wie die Eignung des Regierenden zum Architekturkritiker: Am Schlossplatz und am Gendarmenmarkt wäre auch ohne den nacheilenden Gehorsam Junge-Reyers keine Alexa gebaut worden. Das Gleiche gilt für Hochhäuser Unter den Linden. Die standen nie zur Debatte.

Bleibt die Werbung. Ob da die Stadtentwicklungssenatorin plötzlich als werbe- und investorenfeindlich dastehen will? So wie einst die Baustadträte, die sie selbst kritisiert hat? Wir werden es sehen.

Gefährlich wird die Verordnung aber, wenn sie – by the way – gleich noch gläserne Fassaden als „unmittisch“ abstempelt. Die Diskussion hatten wir schon einmal am Pariser Platz. Heute gibt es da die gläserne Akademie der Künste.

Noch. Es sei denn, Klaus Wowereit wirft auch da den ersten Stein.