60 jahre fu
: Berlin profitiert vom Label Elite

Jahrestage waren an der Freien Universität (FU) schon immer ein guter Anlass – um dagegen zu sein. 1988, zum 40. der FU, wuchs quasi aus dem Nichts ein Studentenprotest, der den halben Campus über Wochen lahmlegte. Auf nächtelangen Plena wurde gebetsmühlenartig die gesellschaftliche Verankerung der Studis reklamiert. Die Universität solle sich öffnen für die sozialen Bewegungen der Stadt und so weiter und blabla. Wer nach Wochen des politisierten Happenings draußen in Dahlem wieder mal ’ne Currywurst in Kreuzberg aß, erwachte allerdings schnell aus dem Traum. Den Schulterschluss zwischen angehenden Akademikern und den Arbeitern und sozial Schwachen in der Stadt gab es selbstverständlich nicht. Die Stulle-Berliner interessierte die Freie Universität nie, und wenn sie noch so depraviert und entrechtet dastanden. Wenigstens wollten sie die Studierenden nicht gleich an die Wand stellen wie noch anno 1968. Immerhin ein zivilisatorischer Fortschritt.

KOMMENTAR VON CHRISTIAN FÜLLER

Heute ist das Verhältnis der Stadt zur Freien Universität – Ironie der Geschichte – ganz anders. Aber nicht, weil Studierende sich im Kiez engagierten oder es gar so etwas wie eine kommunitäre Wissenschaftspraxis geben würde. Nein, schlicht weil die Freie Universität Elite ist. Das ist schick und interessant – selbst für den berühmten Mann von der Straße.

Die FU hat immer von dem Mythos der Stadt gezehrt. (Sie war ein hübsches Ornament mit dem Signet des Freien im Namenszug der Universität, mehr nicht.) Erstmals dreht sich das nun um, und das liegt an dem – wenn auch noch amorphen – Titel Eliteuni. Berlin beginnt von seiner Universität zu profitieren, nicht umgekehrt. Weil die FU rechtzeitig zu ihrem 60. Geburtstag erwachsen geworden ist und plötzlich auf wichtig machen kann.

Mancher Student mag spotten über das doofe Label Eliteuni. In Indien und China wird diese Auszeichnung aufgesogen, dort gilt sie viel. Die Anziehungskraft Berlins für eine studentische und akademische Avantgarde aus aller Welt wird durch das Wörtchen Elite mehr befördert als vom verquasten Community-College-Gedanken der 80er- und 90er-Jahre.

Verrückt ist, wie altbacken die Asta-Fritzen aus Dahlem immer noch sind. Sie haben nichts zu sagen – außer die Vergangenheit anzubeten. Wo die sind, ist hinten. Zur Studierendenschaft, die heute im Schnitt drei, vier Jahre jünger ist als noch vor Kurzem, hat diese Studentenvertretung keinerlei Bezug mehr. Das ist die große Leerstelle der Freien Universität.

Wann setzt sich endlich eine Studierendenschaft als politische Kraft an der Uni durch, die wieder etwas zu sagen hat? Die das akademische Leben spannender macht, die interessante Zeitungen herausgibt und nicht bloß rechts (Landowsky, Diepgen) oder links ist (ehemals Rabehl etc.)?

Studierende, die Stadt wartet auf euch.

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