„Es droht ein Bruch mitten durch Berlin“

Das Geflecht von Akteuren rund um den Bau des Flughafens BBI verkompliziert die Entwicklung, sagt die Stadtforscherin Johanna Schlaack. Ist der Airport da, könnte der Norden Berlins wirtschaftlich das Nachsehen haben

Die Stadtforscherin JOHANNA SCHLAACK, 28, promoviert am Center for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin über Flughafenstädte.

taz: Frau Schlaack, warum dauert es eigentlich so lange, bis in Schönefeld die Planungen vorangehen?

Johanna Schlaack: Bei großen Infrastrukturprojekten sind die Planungsprozesse generell langwierig – es sind komplexe, demokratisch strukturierte Verfahren. Beim Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) kommt dazu, dass zwei Länder an der Entwicklung beteiligt sind: Der Flughafen mit den zu erwartenden Steuereinnahmen liegt in Brandenburg, speist seinen Bedarf nach der Schließung von Tegel und Tempelhof aber vorwiegend aus Berlin. Es planen und entscheiden also immer zwei Verwaltungen samt den nachgeordneten Behörden.

Das klingt kompliziert.

Hinzu kommt noch die Flughafengesellschaft. Über die ist als dritter Eigentümer neben den Ländern Berlin und Brandenburg auch noch der Bund beteiligt, sie ist im Prinzip also Eigentum eines jeden Bürgers. Gleichzeitig muss sie als funktionierender Flughafen effizient wirtschaften. Diese Verquickung ist zuweilen schwierig. Zum Beispiel kann man sich fragen, ob die Flughafengesellschaft auf ihren Flächen in Airportnähe profitable Büroprojekte entwickeln sollte, obwohl es in der Stadt ausreichend Leerstand gibt.

Hätte der bisherige Prozess effizienter ablaufen können?

Ich denke, mit einer Entwicklungsgesellschaft als zentraler Steuerungsinstanz hätte mancher Teilprozess besser und gezielter gestaltet werden können. Umso sinnvoller finde ich das eingerichtete Dialogforum …

bei dem Vertreter von Gemeinden, Bezirken und Ländern mit der Flughafengesellschaft an einem Tisch sitzen …

Genau. Sie haben ein gemeinsames Strukturkonzept zum Flughafenumfeld erarbeitet, mit klaren räumlichen Vorgaben. Damit versuchen sie, eine Balance zwischen den Orten herzustellen, die unverhältnismäßig unter Fluglärm und Emissionen leiden, und denen, die von den Investitionen profitieren. Über Ausgleichsmittel und mögliche Siedlungserweiterungen wird versucht, zumindest ansatzweise ein Gleichgewicht zu erreichen.

Das Dialogforum wird seit Kurzem von den Gemeinden geleitet. Gut oder schlecht?

Ich glaube, dass die Grundsteine für ein konstruktives Vorgehen gelegt sind. Wichtig scheint mir, dass die Akteure jetzt nicht in alte Muster verfallen und das geschaffene Vertrauen verspielen – indem wieder jeder nur seine Einzelinteressen wahren will und das Buhlen um Investoren neu beginnt. Die Gemeinde Schönefeld zum Beispiel hat einen äußerst ambitionierten Flächennutzungsplan aufgestellt, mit 465 Hektar Gewerbefläche. Der prognostizierte jährliche Bedarf liegt bei 25 Hektar. Der Gedanke liegt nah, dass die Jagd um Unternehmer in Konkurrenz zu anderen Gemeinden weitergeht.

Die Bevölkerung kommt bei der Planung als direkter Akteur kaum vor. Was ist mit ihren Wünschen und Sorgen?

Wir haben die Bürger vor allem im Ortsteil Schönefeld in einer Fragebogenaktion direkt kontaktiert. Es zeigte sich, dass die Menschen einerseits konkrete Wünsche haben wie eine Schwimmhalle und ein Gemeindezentrum. Andererseits war ihnen generell wirtschaftlicher Aufschwung für die Gemeinde wichtig sowie neue Arbeitsplätze. Schönefeld als Ort ist im Gemeindeverbund ohnehin privilegiert, weil es vom Lärm weniger betroffen und außerdem hervorragend angebunden ist.

Wie wird sich der BBI auf die Entwicklung von ganz Berlin auswirken?

Ich sehe die Gefahr, dass jetzt einzelne Investitionsprojekte vorangetrieben werden, etwa Gewerbeparks, die bestehende Zentren in Berlin und Potsdam schwächen könnten. Man sollte aufpassen, immer die Metropolregion Berlin-Brandenburg insgesamt im Blick zu behalten. Die meisten Befürchtungen habe ich, dass durch den BBI ein neuer Bruch durch Berlin geht: Der wirtschaftlich eher schwache Norden verliert, auch durch die Schließung von Tegel, während der ohnehin stärkere Süden bei der Wirtschaftskraft weiter zulegt. Manche Stadtteile könnten völlig abgehängt werden.

INTERVIEW: KRISTINA PEZZEI