Der Kotti wird cleaner

Verstärkte Präsenz von Polizei und BVG-Wachschützern vertreibt langsam die Drogenszene an der U-Bahn-Station Kottbusser Tor. Die Anwohner stehen den Junkies verständnisvoller gegenüber. Druckraum bleibt vorerst offen

Am Kotti sinkt der Druck: In der hitzigen Debatte um die Drogenszene rund um das Kottbusser Tor können derzeit alle Beteiligten aufatmen. Die wichtigste Neuigkeit: Der Drogenkonsumraum in der Dresdener Straße hinter dem Wohnblock Neues Kreuzberger Zentrum (NKZ) muss nun doch nicht zum 1. April schließen. Der Vermieter habe zugesichert, die Räume so lange zur Verfügung zu stellen, bis der Trägerverein Fixpunkt neue gefunden habe, sagte der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), am Montag der taz. Die Suche laufe auf Hochtouren. „Wir haben bereits einige Objekte im Auge“, so der Bürgermeister. „Sie werden aber verstehen, dass wir nach der letzten Erfahrung mit der Bekanntgabe von Orten lieber erstmal nichts Genaueres sagen wollen.“

Schulz‘ letzter Vorschlag, den Druckraum künftig in dem Haus nahe dem Kotti unterzubringen, in dem auch der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, mit seiner Familie lebt, hatte unter den Bewohnern dieses einst besetzten Hauses für Entsetzen gesorgt. Auch die jetzt ins Auge gefassten Räume, so Schulz, lägen alle „nahe am Kottbusser Tor“: Eine zu große Entfernung „macht keinen Sinn“, sagt der Bürgermeister: „Sonst haben Sie Konsumräume, aber keine Konsumenten drin.“

Wo die eigentlich sind, mag man sich momentan sowieso fragen: Die Menschen, die durch die sternförmig verzweigten Gänge in der Zwischenetage des gleichnamigen U-Bahnhofs eilen, müssen nur noch selten an Gruppen mit Bierflaschen und Hunden ausgestatteter DrogennutzerInnen vorbei. An deren Stelle ist ein anderes Bild getreten, das auch nicht jedem hier gefällt: Eine ganze Reihe uniformierter WachschützerInnen mit mehreren Hunden steht vor dem Kiosk im U-Bahnhof Spalier. „Provokant“ wirke das, meint ein junger Mann, der seine Freundin im Arm hält: „Einschüchternd“ findet sie den Anblick der blau-rot unformierten Security-Leute.

„Wir bestreifen den Bahnhof mit mehr Personal als früher“, sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak: Das setze einen „Verdrändungseffekt“ in Gang. Wohin die Szene drängt, weiß er nicht.

Dass auch oben auf dem Platz zwischen Reichenberger und Adalbertstraße keine Junkies mehr zu sehen sind, mag am schlechten Wetter liegen. Der Platz wirkt leerer ohne sie, beinahe fremd: ein cleaner Kotti. Vielleicht liegt es daran, dass die Polizei ebenfalls ihre Arbeit im Gebiet verstärkt hat: „Nahezu täglich“ würden Einsätze im Bereich Kottbusser Tor durchgeführt, sagt eine Sprecherin. Da Polizeiarbeit allein die Lage aber nicht ändern könne, suche man im Gespräch mit allen Beteiligten nach anderen Lösungen.

Die Anwohner sind erstmal froh über die erhöhte Präsenz der Sicherheitskräfte, sagt Ercan Yasaroglu. Der Sozialarbeiter betreut die Bewohner des NKZ und hat auch ihre Anwohnerinitiative unterstützt, die sich gegen den Drogenkonsum am Kotti gegründet hat. Seit ein lange leerstehendes Parkhaus neben dem NKZ in Betrieb und damit den Junkies als Konsumort genommen wurde, fanden Konsum und Handel in den unübersichtlichen Gängen im und um das NKZ statt. Die Anwohner machten dagegen mobil, nicht wenige mit großer Wut auf die Drogenkonsumenten und die Verwaltung, die nichts unternähme. Seit Wochen demonstrieren sie jeden Samstag vor ihrem Haus. Daran hatte sich auch am Samstag nichts geändert.

Doch die Wut lege sich mit der gesunkenen Belastung für die Anwohner, sagt Yasaroglu. Damit steige die Bereitschaft, auch die Not der Junkies zu erkennen: „Immer mehr sagen: ‚Ja, sie brauchen einen Ort, an dem sie sich aufhalten können‘“, so der Sozialarbeiter. Jetzt muss der nur noch gefunden werden. Alke Wierth