Kurde wird trotz Hungerstreik abgeschoben

PROTESTAKTION Nach einer Woche beenden neun Gefangene im Abschiebeknast den Hungerstreik. Gebracht hat er nichts

Sali Turan hat Angst. Er wird am Dienstag aller Voraussicht nach in die Türkei abgeschoben, nachdem er 14 Jahre in Berlin gelebt hat. „Die nehmen mich sicher direkt fest, nachdem ich das Flugzeug verlassen habe“, sagt er am Telefon. Seit drei Monaten sitzt Turan im Abschiebeknast Grünau. Mit acht anderen Häftlingen trat er in einen einwöchigen Hungerstreik (taz berichtete). Am Samstag haben sie diesen beendet, weil sie ihre Gesundheit nicht weiter gefährden wollten.

Die Gefangenen protestierten mit der Nahrungsverweigerung gegen ihre drohende Abschiebung. „Wir haben aber auch gestreikt, damit die Leute draußen auf unsere Notsituation aufmerksam werden“, sagt Turan. Das sind sie – zu der Mahnwache am Samstag kamen gut siebzig Menschen, doppelt so viele wie sonst.

Der 28-jährige Kurde hat den Militärdienst in der Türkei verweigert, weil er nicht auf seine eigenen Leute schießen wollte. Dass ihm nach der Abschiebung die sofortige Festnahme und anschließend der Armeedienst droht, bestätigt Fevzi Aktas vom Kurdistan Kultur- und Hilfsverein. „Er muss vor ein Militärgericht, wird dort als PKK-Anhänger beschimpft und womöglich gefoltert. In der Armee wird er in ein Kriegsgebiet geschickt und muss die Drecksarbeit machen“, sagt Aktas. Der Anteil der Kurden an getöteten türkischen Soldaten sei hoch. Als Kanonenfutter würden sie verbraten, so Aktas.

Außer Turan sind noch fünf weitere Kurden akut von Abschiebung bedroht. Sie alle traten in den Hungerstreik, ebenso wie zwei Afrikaner und ein Bosnier, die ihre Solidarität bekunden wollten. Man werde die Fälle noch einmal genau prüfen und sehen, ob zum Beispiel ein Antrag bei der Härtefallkommission möglich sei, sagt Haftseelsorger Ludger Hillebrand vom Jesuiten Flüchtlingsdienst. Er hat die Streikenden in der vergangenen Woche mehrfach besucht. Für Sali Turan sei es für Hilfe wohl zu spät, wann die restlichen Kurden abgeschoben werden sollen, sei noch unklar.

Die Bedingungen im Abschiebegefängnis sind nach Hillebrands Meinung miserabel – sowohl die Räumlichkeiten als auch die Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Polizei, verantwortlich für die Einrichtung, erklärte gegenüber der taz, es gebe für die Insassen ausreichend Angebote wie Sport, ein Kunstprojekt, buddhistische Meditation und diverse Arbeitsmöglichkeiten wie Renovierungsarbeiten. Davon weiß Hillebrand nichts. „Wenn überhaupt können ein bis zwei Gefangenen pro Woche ein wenig arbeiten, sonst gibt es nur Fernsehen und einen kurzen Hofgang.“ PAUL WRUSCH