Kirchenasyl wackelt: Gemeinde wimmelt Polizisten ab

Erneut versucht die Polizei, den Flüchtling im Friedrichshainer Kirchenasyl zu verhaften. Doch die Gemeinde passt auf ihren Schützling auf. Halten sie bis Dienstag durch, kann er Asyl beantragen.

Die Kirche als Zufluchtsort. Bild: AP, Casey Christie

Die Ausländerbehörde lässt sich nicht erweichen: Am Mittwochmittag versuchten erneut Polizisten einen im Kirchenasyl befindlichen tschetschenischen Flüchtling in der Friedrichshainer Galiläa-Samariter-Kirche festzunehmen und abzuschieben - ohne Erfolg. Wie bei einem Versuch am Montagabend wurden die Zivilbeamten von Gemeindemitgliedern abgewiesen und brachen den Einsatz ab.

"Wir sind noch ganz aufgewühlt", sagt Edeltraut Pohl, ehemalige Küsterin der Gemeinde eine halbe Stunde später auf einer Pressekonferenz. Vor einem Seitenaltar in der Kirche informieren Gemeindemitglieder und Unterstützer über den Fall ihres 26-jährigen Schützlings.

Es ist ein Wettrennen mit der Ausländerbehörde, das sich die evangelische Gemeinde momentan liefert: Sollte der Tschetschene bis zum 10. März im Kirchenasyl verbleiben, hat er ein halbes Jahr in Deutschland verbracht und darf ein Asylverfahren beantragen. Bisher wurde ihm dies verwehrt, da er über das "sichere Drittstaatenland" Polen nach Berlin geflüchtet war. Deshalb ist die Innenverwaltung unter Senator Erhart Körting (SPD) fest gewillt den Tschetschenen dorthin abzuschieben. "Wir gehen davon aus, dass der Beschluss bis zum 10. März durchgesetzt wird", so Körtings Sprecherin Nicola Rothermel am Mittwoch.

Dafür müsste die Polizei allerdings in die verbarrikadierte Kirche gelangen. "Tag und Nacht" stehe eine Wache vor dem verschlossenen Gitter zum Kircheninneren, berichtet Edeltraut Pohl. "Pfarrer Peter Sedler übernachtet dort mit dem Flüchtling", der seinen Alltag zu simulieren versuche - muslimische Gebete inklusive. Für ein plötzliches Auftauchen der Polizei habe man eine Telefonkette organisiert.

Fünf Mal hätten Beamte bereits versucht, den Flüchtling aus der Gemeinde zu holen. "Jedesmal haben sie sich freundlich abweisen lassen", so Edeltraut Pohl. Allerdings könne so auch nicht die notwendige Notfalleinweisung ins Krankenhaus erfolgen. "Wir kommen nicht aus der Kirche, weil wir immer befürchten müssen, dass ihn Zivilpolizisten draußen wegschnappen", so Jörg Passoth vom Verein Asyl in der Kirche. Stattdessen erhält der Flüchtling nun regelmäßig Besuch von Psychologen und Ärzten in der Kirche. Er leidet unter posttraumatischen Belastungsstörungen, hat Magen- und Nierenschmerzen. Seine medizinische Versorgung sei in Polen nicht gewährleistet, sagen die Unterstützer. Zudem befürchte er dort Übergriffe von tschetschenischen Sicherheitskräften.

Seit 25 Jahren gewähren Gemeinden Kirchenasyl in Berlin, berichtet Jörg Passoth, der selbst Pfarrer ist. Zum ersten Mal seien aber alle Vermittlungsversuche um eine einvernehmliche Lösung vom Senat abgeblockt worden. "Die Rechtslage ist so eindeutig, dass es keine Gesprächsgrundlage gibt", so Innensenatssprecherin Rothermel.

"Es wundert mich, dass die Ausländerbehörde nicht gelassener auf diesen Fall reagiert", rätselt Jens-Uwe Thomas vom Berliner Flüchtlingsrat. Eine Petition der SPD-Abgeordneten Canan Bayram erhält nach eigener Auskunft Unterstützung im Petitionsausschuss und von der Linksfraktion. Die akute gesundheitliche Gefahr des Tschetschenen sehen sie als Grund, das Kirchenasly aufrechtzuerhalten.

Fünf Tage Zittern verbleiben.

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