Arbeitsbedingungen: "Das ist ein Skandal"

Bremen scheitert mit einem Vorstoß, der Zeitarbeit eindämmen soll und kündigt ein Gesetz an, dass öffentliche Aufträge an Mindeststandards koppeln soll.

Gescheitert ist gestern ein Vorstoß Bremens im Bundesrat, die Zeitarbeit zu begrenzen. Bild: dpa

Mit sehr unterschiedlichem Erfolg versucht die rot-grüne Landesregierung derzeit, die Situation von ArbeitnehmerInnen im Land grundlegend zu verbessern. Dabei geht es zum einen um die Arbeitsbedingungen von ZeitarbeiterInnen, zum anderen um soziale und wirtschaftliche Mindeststandards bei öffentlichen Aufträgen.

Gescheitert ist gestern eine Initiative, für die sich Bremen - gemeinsam mit Rheinland-Pfalz - im Bundesrat stark gemacht hat. Sie hatte zum Ziel, die Leiharbeit auf maximal 24 Monate zu begrenzen. Zudem sollten LeiharbeitnehmerInnen künftig mit der Stammbelegschaft gleichbehandelt werden - und zwar vom ersten Tag an. Derzeit verdienen sie oft nur die Hälfte dessen, was dauerhaft angestellte KollegInnen bekommen. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) sprach von "Fehlentwicklungen" bei der vor einigen Jahren - mit SPD-Hilfe - flexibilisierten Arbeitnehmerüberlassung. Die Zahl der ZeitarbeiterInnen ist seit Mitte der 90er Jahre um mehr als 300 Prozent gewachsen.

Doch schon der Vermittlungsausschuss des Bundesrates hatte die Ablehnung des bremischen Vorstoßes empfohlen. "Das ist ein Skandal", sagt die Sprecherin der Arbeitnehmerkammer, Elke Heyduck. Gerade das Land Bremen sei von einer "Erosion am Arbeitsmarkt" besonders stark betroffen. Eine gestern vorgestellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Zeit- und Leiharbeitsquote in Bremen seit dem Jahr 2000 um 135 Prozent gestiegen ist. Zugenommen hat auch die Zahl der geringfügig beschäftigten ArbeitnehmerInnen: Insgesamt 7.000 BremerInnen arbeiten in sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs - und sind trotzdem auf Sozialleistungen angewiesen. Auch jeder fünfte Beschäftigte in einem Mini-Job bezieht eine Aufstockung. Auf 1.000 EinwohnerInnen kommen in Bremen 106 mit einer geringfügigen Beschäftigung. Damit belegt Bremen bundesweit einen Spitzenplatz.

Wer im öffentlichen Auftrag des Landes Bremen arbeitet, soll mindestens 7,50 Euro brutto in der Stunde verdienen. So will es das neue Vergabegesetz, das SPD- und Grünen-Fraktion gestern vorstellten. Es soll spätestens im November von der Bremischen Bürgerschaft verabschiedet werden und dann eine 2003 noch von der Großen Koalition erarbeitete Regelung ablösen. "Dieses Gesetz wird Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen im Land Bremen verhindern", versprachen die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Carsten Sieling und Matthias Güldner vollmundig. Wer im Niedriglohnsektor arbeite - etwa bei Bewachungsfirmen - dessen Situation werde sich nun "verbessern", so Sieling.

Allerdings gilt das neue Gesetz nur bei Aufträgen bis zu einem von der EU festgesetzten Schwellenwert von derzeit rund 200.000 Euro. Und auch nur dann, wenn der öffentliche Auftrag nicht "binnenmarktrelevant" ist, wenn sich also kein Unternehmen aus einem anderen EU-Mitgliedsland um den Auftrag beworben hat.

Doch das Vergabegesetz versucht nicht nur, einen Mindestlohn von öffentlichen Auftragnehmern einzufordern. Die Firmen sollen auch die von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO festgesetzten sozialen Mindeststandards erfüllen. Wer sie bricht - also etwa Männern und Frauen nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit zahlt - wird deswegen nicht zwangsläufig von öffentlichen Aufträgen Bremens ausgeschlossen. "Es ist darauf hinzuwirken", dass die ILO-Kriterien erfüllt werden, heißt es in dem Gesetz. Ausschlaggebend sind, wie bisher, Preis und Leistung. Der Preis müsse "verträglich" sein, so Güldner.

Die Einhaltung der Kriterien soll eine neue Sonderkommission des Senates kontrollieren. Neues Personal gibt es für diese Aufgabe nicht.

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