Finanzpolitik: Schwarz-Gelb schreckt Bremen

In Bremen wird berechnet, was die schwarz-gelbe Politik im Bund das Land kosten könnte. Würde sich die FDP durchsetzen, sei das Ende des Stadtstaates gekommen.

Wer sich im Wahlkampf von der Kanzlerin überzeugen ließ, riskierte das Ende des Stadtstaates. Bild: dpa

Mit großen Sorgen blicken derzeit Bremer Politiker nach Berlin: Wie wird sich die sich abzeichnende schwarz-gelbe Koalition auf die Finanzlage Bremens auswirken? Finanzstaatsrat Henning Lühr hat am Mittwochabend auf einer Diskussionsveranstaltung in der Arbeitnehmerkammer dargestellt, womit seine Behörde rechnet: Das Finanzierungsdefizit Bremens beträgt derzeit rund 900 Millionen Euro pro Jahr, die von der FDP versprochenen Steuererleichterungen würden für Bremen zusätzlich rund 460 Millionen Euro Einnahmeeinbußen pro Jahr bedeuten. "Mindereinnahmen in dieser Größenordnung wären für Bremen nicht verkraftbar. Sie wären das Ende der Existenz der Stadtrepublik Bremen", so Lühr.

Wenn "nur" die Wahlversprechen der CDU umgesetzt würden, dann betrüge das zusätzliche "Loch" pro Jahr 63 Millionen Euro. Aus Bremer Sicht darf man also nur hoffen, dass der Kompromiss zwischen den beiden Positionen nicht in der Mitte gefunden wird. "Bremen prüft, ob das Bundesverfassungsgericht wegen der Unvereinbarkeit der Steuerpolitik mit den Vorgaben der Föderalismuskommission angerufen werden muss", erklärte Lühr. Denn nach den Regelungen der Schuldenbremse, die im Grundgesetz fest verankert sind, muss auch Bremen ab dem Jahre 2020 ganz ohne Neuverschuldung auskommen.

Als Großstadt ist Bremen zudem besonders betroffen von den derzeit noch nicht absehbaren Koalitionskompromissen zur Arbeitsmarktförderung und Sozialpolitik. Es liege auf der Hand, erklärte der Bremer Sozialwissenschaftler Frank Nullmeier auf der Veranstaltung, dass die FDP hier die Ausgaben kürzen müsse, um die Steuererleichterungen zu kompensieren. "Sie werden es woanders nehmen müssen", erklärte Nullmeier. Er geht davon aus, dass in der Koalitionsvereinbarung nicht in aller Deutlichkeit stehen wird, was hinter den Kulissen ausgehandelt wird. Einsparungen bei der Arbeitsmarktförderung würden direkt in Bremen durchschlagen, eine Ersetzung der Harz-IV-Ansprüche durch ein in der Summe niedrigeres "Bürgergeld" würde weitreichende Folgen für die kommunalen Haushalte haben.

Bei der Diskussionsveranstaltung hatte Heiner Flassbeck, Chefökonom der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung, die Rolle übernommen, einen ganz anderen Weg aufzuzeigen. Seit Jahren blieben die Reallöhne hinter dem Produktivitätszuwachs zurück, kritisierte der Volkswirt, "die Politik hat es geschafft, die Deutschen zum Weltmeister im Lohn-Dumping und im Gürtel-enger-schnallen zu machen". Die Folge sei eine lahmende Binnennachfrage.

Flassbeck, der einmal Staatssekretär im Finanzministerium von Oskar Lafontaine war, forderte eine Abkehr von der deutschen Exportorientierung und drastische Lohnerhöhungen - um die Binnennachfrage zu steigern. Nichts spräche laut Flassbeck dagegen, den Mindestlohn in Deutschland auf zehn Euro festzulegen.

"Visionär" findet der Bremer Sozialdemokrat Lühr dieses Konzept von Flassbeck und verweist darauf, dass Gewerkschaften "krisenbedingt den Kopf einziehen". Ihre Aufgabe wäre aber, für höhere Löhne zu streiten, sagte Lühr.

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