Justiz: Streit um NS-Staatsanwalt

Das Buch eines Bremer Rechtshistorikers ruft Widerspruch hervor: Der von ihm als NS-Verbrecher Entlarvte habe eine weiße Weste, sagt dessen ehemaliger Kollege

Wie viel Waschungen für die weitere Karriere von Siegfried Höffler von Nöten waren, ist Gegenstand aktueller Auseinandersetzungen Bild: Archiv

Nazi oder Nicht-Nazi? Darüber streiten der Bremer Rechtshistoriker Christoph Schminck-Gustavus und der ehemalige Bremer Generalstaatsanwalt Hans Janknecht. Der Anlass ist eine bevorstehende Buchveröffentlichung des emeritierten Professors über die Deportation von jüdischen Bewohnern des Ortes Joannina im Nordwesten Griechenlands ins Vernichtungslager Auschwitz. Unstrittig ist, dass an dieser der Bremer Gestapo-Mann Friedrich Linnemann beteiligt war, gegen den die Staatsanwaltschaft bis 1970 ermittelte.

Streit gibt es über die Frage, warum die Ermittlungen eingestellt wurden, kurz nachdem die Anklageschrift fertig war. Laut Schminck-Gustavus liegt das daran, dass die Zuständigkeit innerhalb der Staatsanwaltschaft wechselte - zu einem, der selbst NS-Verbrechen begangen hatte. Nachdem der ursprünglich befasste Staatsanwalt aus Karrieregründen - wie Schminck-Gustavus von dessen Angehörigen erfuhr - den Job gewechselt hatte, übernahm Siegfried Höffler das Verfahren. Und dieser, so führt Schminck-Gustavus aus, beendete die Ermittlungen aufgrund seiner politischen Gesinnung.

Belegen kann er, dass Höffler am 1. Mai 1933 in die NSDAP eintrat und Mitglied des SA-"Reitersturms" war. Außerdem soll er "gleich nach Kriegsbeginn in das besetzte Polen abgeordnet worden" sein, schreibt der Forscher, genauer an das NS-Sondergericht Rzeszów, das nach Warschau die meisten Todesurteile aussprach. "Ob und - wenn ja - bei wie vielen dieser Todesurteile auch der junge Staatsanwalt Höffler die Anklage vertreten hat, war nicht zu ermitteln", schreibt Schminck-Gustavus in seinem jetzt im griechischen Isnafi-Verlag erschienenem Buch, das im kommenden Frühjahr auf Deutsch im Göttinger Wallstein-Verlag erscheinen soll.

Gefunden hat er ein Schreiben aus dem April 1940, in dem mitgeteilt wird, dass der "an die Staatsanwaltschaft beim Sondergericht Rzeszow abgeordnete Staatsanwalt Siegfried Höffler von der Staatsanwaltschaft Berlin - zur Zeit erkrankt in Neuruppin sich aufhaltend - alsbald in den Kammergerichtsbezirk" zurückkehren wird. Der ehemalige Staatsanwalt Hans Janknecht - verantwortlich für vielfach kritisierte Durchsuchungen von Bremer Redaktionsräumen und Journalistenwohnungen im Jahr 1996 - bestreitet nun, dass sein ehemaliger Kollege, den er gut kannte und der 2003 starb, überhaupt in Polen eingesetzt war. "Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen", sagt Janknecht. Er habe auch andere Kollegen gefragt, niemand habe etwas davon gewusst. "Für undenkbar" halte er vor allem, dass sein Vorgänger, Hanns Dünnebier, Höffler in Kenntnis einer solchen Vorgeschichte eingestellt hätte. "Der war ultraliberal und über jeden Zweifel erhaben." Nicht ausschließen könne er, dass Personalakten nachträglich gefälscht worden seien - genau das legt Schminck-Gustavus nahe. Für wahrscheinlicher hält Janknecht aber die von Höffler verbreitete Version, nach der er lediglich für den Posten in Polen vorgesehen war, ihn aber aus Krankheitsgründen nie antrat.

Auch wenn sich wegen fehlender Akten und Angaben Höfflers - für Schminck-Gustavus verdächtige Lücken - nicht nachvollziehen lässt, inwiefern sich dieser in Polen schuldig gemacht hat - und möglicherweise auch am Sondergericht in Berlin, wie es das "Braunbuch" von 1968 ohne Belege behauptet - so kann Schminck-Gustavus anhand Höfflers Ausführungen zu den Deportationen in Griechenland die verquere Beurteilung der "Mitläufer" durch die Nachkriegsjustiz darstellen.

Darin wiederum ist er sich mit Janknecht einig: Auch dieser hält "aus heutiger Sicht" die damalige Rechtssprechung, wegen der Täter massenhaft Karriere in der BRD machen konnten, für falsch.

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