Angekündigte Niederlage

Der Bremer Energiekonzern „swb“ verliert aller Voraussicht nach auch in zweiter Instanz den Rechtsstreit um die Gaspreiserhöhungen. Verbraucherzentrale feiert bereits „Erfolg auf ganzer Linie“

von Jan Zier

Im jahrelangen Streit um die Zulässigkeit von Gaspreiserhöhungen zeichnet sich erneut eine klare Niederlage für den Bremer Energiekonzern „swb“ ab. Das Oberlandesgericht Bremen neige dazu, das Urteil des Landgerichts vom Mai 2006 zu bestätigen, sagte der Vorsitzende Richter bei der gestrigen Berufungsverhandlung. Seinerzeit wurden vier Preiserhöhungen der „swb“ wegen fehlender Transparenz für unwirksam und die Preisanpassungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für nichtig erklärt.

Konkret verhandelt werden die Teuerungen zwischen Oktober 2004 und Januar 2006, als der Preis für Erdgas je Kilowattstunde um mehr als ein Drittel stieg – von 4,01 auf 5,55 Cent. Die vorliegende Sammelklage eingereicht hatten 59 swb-GaskundInnen, unterstützt werden sie von der Verbraucherzentrale. Deren Vorsitzende in Bremen, Irmgard Czarnecki, sprach gestern von einem „Erfolg auf ganzer Linie“. Die Entscheidung werde bundesweite Bedeutung haben, weil die Mehrzahl der Energieversorger vergleichbare Klauseln benutze.

Ebenso wie das Landgericht hält auch das Oberlandesgericht die umstrittenen Bestimmungen „für denkbar vage“. Die VerbraucherInnen hätten „keinerlei Möglichkeit, die Preisgestaltung im Einzelfall nachzuvollziehen – etwa anhand öffentlich zugänglicher Quellen. Zwar sei die „swb“ sehr wohl berechtigt, die Gaspreise zu erhöhen, so das Oberlandesgericht. Der Maßstab dafür müsse aber für jeden deutlich nachvollziehbar sein. „Das gilt für jeden Vertrag.“ Das Oberlandesgericht hatte sich dabei ebenso wie das Landgericht – aber im Gegensatz zu vielen anderen Gerichten bundesweit – nicht auf auf eine so genannte „Billigkeitsprüfung“ der Preise eingelassen. Sie unterzogen vielmehr die „swb“-Verträge einer genaueren Prüfung. Und kamen zu dem Schluss: Die Klauseln seien zu unbestimmt.

Gegen die Preiserhöhungen hatten einst fast 20.000 KundInnen in Bremen und Bremerhaven Widerspruch eingelegt. Knapp 4.000 GaskundInnen behalten nach Angaben der „swb“ bis heute bei ihren Zahlungen den Teil der Rechnung ein, den sie für zu hoch halten.

„Swb“-Sprecherin Marlene Odenbach sieht in dem zu erwartenden Urteil „ein großes Problem“ für das Unternehmen: „Es geht um sehr viel Geld“, sagte sie. Diese Entscheidung, sagt der Anwalt der „swb“ Manfred Ungemach vor Gericht, „wird dem Wettbewerb und der Wirklichkeit nicht gerecht“. Das Urteil wird laut „swb“ nicht nur die KlägerInnen, sondern 90 Prozent der rund 100.000 KundInnen der „swb“ betreffen. Die von der Verbraucherzentrale genannte Summe von 70 Millionen Euro bezeichnete Odenbach allerdings als „aus der Luft gegriffen“.

Nach wie vor unklar ist, wie die umstrittene Vertragsbestimmung, die der „swb“ die Teuerung ermöglicht, künftig aussehen soll. „Es gibt Klauseln, die vor Gericht Bestand haben können“, sagt das Oberlandesgericht ganz lapidar – mit Verweis auf ein Beispiel aus Dresden. Selbst formulieren mochten die Richter aber keine: „Wir könnten so eine Klausel selbst kaum entwickeln“ – es sei denn die „swb“ lege ihre Kalkulation offen. Genau das aber hat die „swb“ bislang immer verweigert.

Auch nach dem Urteil – das für den 16. November erwartet wird – „ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagen die Oberlandesrichter. Es wird allgemein damit gerechnet, dass die „swb“ Revision vor dem Bundesgerichtshof einlegt.