„Nur sähen, nicht ernten“

Im Lande Bremen gibt es seit kurzem eine neuen Partei – die der Rentnerinnen und Rentner. Dabei kämpft sie gar nicht in erster Linie für sich selbst, sagt Hans Richter, Mitglied im Landesvorstand

Interview von Jan Zier

taz: Warum brauchen wir eine Rentnerinnen und Rentnerpartei, Herr Richter?

Hans Richter: Die Frage ist nicht abwegig. Aber wenn sie sich die Politik mal ansehen: Wir haben ja keine Lobby für die RentnerInnen. Deren Interessen sind nie berücksichtigt worden.

Aber Rentner zu sein allein ist ja noch kein Programm.

Nein. Wir kümmern uns derzeit um drei Politikfelder: Die Altersversorgung, die Krankenversicherung und die Bildungspolitik.

Was unterscheidet sie dann als Partei von einer gewöhnlichen Lobbyvereinigung?

Die Grünen haben auch als Ein-Punkt-Partei angefangen. Wir sind noch zu klein, um alle Politikfelder abzudecken.

Und was fordern sie für die RentnerInnen?

Wir wollen die Altersversorgung ans Schweizer Modell anlehnen: Jedes Einkommen soll beitragspflichtig werden, auch Selbständige, Beamte und Kapitaleinkommen. Derzeit haben wir etwa 20 Millionen RentnerInnen, aber nur 28 Millionen BeitragszahlerInnen. Nach unserem Modell erwirbt dann natürlich auch jeder einen Rentenanspruch – aber der wird nach oben hin begrenzt. Zugleich sollen die kleinen Renten so weit angehoben werden, dass sie über der Grundversorgung liegen, egal, wie viel sie eingezahlt haben.

Und was wollen sie an der Krankenversicherung ändern?

Wir brauchen bei dem künftigen Einheitsbetrag nicht mehr die über 200 gesetzlichen Krankenkassen. Pro Bundesland genügen ein oder zwei, das würde völlig ausreichen und viel Geld sparen. Und wir wollen keinesfalls die privaten Krankenkassen abschaffen.

Diese Forderungen werden aber doch auch in existierenden Parteien diskutiert!

Natürlich. Aber dort sind sie ja bislang nicht durchzusetzen. Zwar gibt es die Senioren-Union und die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 +, aber die machen keine richtige politische Arbeit. Aus beiden Parteien haben wir übrigens Zulauf. Wir müssen aber unseren eigenen Weg gehen.

Mittlerweile gibt es ja mehrere Rentnerparteien …

Ja, mit denen wollen wir uns zusammenschließen. Die ersten Versuche der Zusammenarbeit gibt es ja auch bereits. Was nützen zehn Parteien, die je ein Prozent der Stimmen bekommen? Aber die Bundestagswahlen stehen vor der Tür und die Zeit drängt. Da werden wir antreten – so oder so.

Zur Bayern-Wahl sind sie ja bereits angetreten. Allerdings nur in drei Wahlbezirken.

Aber wir haben gut 20.000 Stimmen bekommen. Das ist schon ganz prima. Und in Bayern haben wir jetzt allein seit Februar schon 1.300 Mitglieder gewonnen, in Bremen gut 50 seit Anfang Oktober. Bundesweit sind es etwa 2.500 Mitglieder.

Dabei sind ihre Themen eher bundespolitisch …

Wir müssen dichter an die Klientel ran. Im November werden wir in Bremen für die RentnerInnen öffentlich demonstrieren, in Bremerhaven ebenso.

Aber von ihren Forderungen – sollten sie sich durchsetzen, werden sie selbst wenig haben.

Wir haben in Bayern den ersten Kreisverbandsvorsitzenden, der ist 19 Jahre alt. Und unser jüngstes Mitglied ist erst 17. Natürlich können wir die Rentenversicherung nicht von heute auf morgen umstellen, das dauert leider lange. Da können wir nur sähen, nicht ernten. Wir kämpfen generationenübergreifend – aber vor allem für die jungen Menschen. Deswegen ist auch die Beziehnung „Rentnerinnen- und Rentnerpartei“ nicht unbedingt richtungsweisend.

Fotohinweis:HANS RICHTER, 71, ist Mitglied im Landesvorstand der Rentnerinnen- und Rentnerpartei.