Ohne Deutsch keine Integration

BILDUNG Mit Fachtag zu Schule und Migration geben Grüne ein Wahlkampf-Präludium: Cem Özdemir nennt Bildung „die zentrale Gerechtigkeitsfrage“

Bildungsgerechtigkeit ist das Schlagwort, mit dem gestern die Grünen in Bremen ein Präludium zum Bundestagswahlkampf gaben: Wie muss sich die Schule ändern, dass die Bildungschancen der Schüler nicht länger vom Elternhaus abhängen?

Die Partei hatte dafür zu einem Bildungsfachtag eingeladen, Thema:„Schule und Migration“. Über 300 Lehrer, Erzieher, Eltern, Politiker besuchten die Tagung. Prominentester Redner war Cem Özdemir, als Bundesvorsitzender der Grünen mit Migrationshintergrund gleich doppelt prädestiniert. Er verwies allerdings gleich darauf, dass die Bildungsmisere nicht nur ein Problem der Migrantenkinder sei. Viele der Schüler, die laut Pisa-Studie als funktionale Analphabeten zu sehen sind, hätten Deutsch als Muttersprache. Es sei vor allem ein soziales Problem. Die Bildungsfrage, meinte er, sei inzwischen zur zentralen Gerechtigkeitsfrage in Deutschland geworden: Jeder zweite Schüler mit Hauptschulabschluss habe nach einem Jahr immer noch keine Lehrstelle, da sei evident, dass die Schule sich ändern und allen eine gute Bildung ermöglichen muss.

Für Özdemir ist die Richtung klar: Kinder müssen früher, länger und in bessere Bildungsinstitutionen kommen, in Kindergärten und Ganztagsschulen, in denen Schüler gerne lernen.

Ganztagsschule ist heute ja ein Zauberwort in der Bildungsdiskussion. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ganztagsschule, so Ursula Neumann von der Uni Hamburg, gibt es allerdings kaum. Eines jedoch sei nachgewiesen: Eine Ganztagsschule, bei der sich nur der zeitliche Rahmen geändert hat, hat keine Auswirkungen.

Katja Francesca Cantone von der Uni Bremen referierte über die Bedeutung der Zweisprachigkeit. Sie machte deutlich, dass kleine Kinder sehr gut zwei und mehr Sprachen gleichzeitig als sogenannte „Erstsprachen“ lernen können, ohne dass eine „Halbsprachigkeit“ herauskäme. Allerdings müsse garantiert sein, dass die Kinder ein ausreichendes „Sprachbad“ bekommen: Also spätestens mit drei in einem deutschen Kindergarten: Mit sechs Jahren schließt sich das Zeitfenster, um Erstsprachen zu lernen. Die Amtssprache gut zu beherrschen, daran ließ Cem Özdemir keinen Zweifel, ist Voraussetzung für eine gelingende Bildung und Integration. Seine Eltern, meint er, haben mit ihm Türkisch gesprochen, aber dafür gesorgt, dass er deutsche Freunde hatte. Er wäre kein guter Vater, wenn seine Tochter nicht gut Deutsch spräche.

CHRISTINE SPIESS