Gretchenfrage reloaded

RELI-FORUM Das „E-Partizipations-Projekt“ der Bildungsbehörde hat ein Ergebnis: Die Nutzer wollen religionsübergreifenden Unterricht für alle. Die Behörde bleibt dagegen

Die Ergebnisse seien internes Material, sagt die Behörde

VON TERESA HAVLICEK

Die Debatte um die Zukunft des Schulfachs „Biblischer Geschichtsunterricht“ (BGU) ist um eine Stimme reicher: Die Ergebnisse des von der Bildungsbehörde initiierten Internetforums „Wie viel Religion braucht die Schule?“ liegen vor. Das teilte die Behörde auf taz-Anfrage mit. Herausgekommen ist bei der virtuellen Abstimmung, dass sich die Beteiligten einen gemeinsamen Unterricht für SchülerInnen aller Religionen in Bremen wünschen.

Im Netz sind die Ergebnisse bislang allerdings nicht einzusehen. Und inwiefern das Votum in die politische Diskussion einfließen wird, ist völlig offen. Als Instrument der Bürgerbeteiligung im Streit um den BGU hatte Bremens Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) das Forum im März eröffnet. Vor allem Fachleute folgten dem Aufruf, 85 UserInnen verfassten 372 Beiträge. Der Favorit: Ein integrierter Weltanschauungsunterricht für alle, in dem Religion ein Thema neben Ethik und allgemeinen Grundwerten ist. Es folgt der Vorschlag eines integrierten Religionsunterrichts, bei dem alle großen Glaubensrichtungen mit dem Fokus auf interkulturelle Verständigung gemeinsam behandelt werden. Das aktuelle Modell des BGU liegt auf Platz drei.

An einer Änderung des Modells BGU wird derzeit getüftelt. Die Grünen etwa wollen die Landesverfassung ändern. Diese sieht Unterricht in „Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage“ vor. Als Alternative dazu gibt es Philosophie, am Schulzentrum Koblenzer Straße auch Islamkunde. Kritisiert wird, dass BGU nur an einigen Schulen tatsächlich angeboten wird, zudem wirke das Etikett „christliche Grundlage“ ausgrenzend. Den grünen Bürgerschaftsabgeordneten Hermann Kuhn freut deshalb das Votum aus dem Netz. „Gemeinsamer Unterricht scheint der Wunsch zu sein“, sagt er – auch mit Blick auf das Scheitern der Berliner „Pro-Reli“-Initiative, die versucht hatte, konfessionellen Religionsunterricht an Schulen durchzusetzen.

Die SPD gibt sich weiter offen. Die Diskussion laufe noch, sagt SPD-Landesgeschäftsführer Roland Pahl. Konkreter wird ihr kirchenpolitischer Sprecher und Bürgerschaftspräsident Christian Weber, der „strikt gegen eine Verfassungsänderung“ ist. Das Forums-Votum will Weber nicht kommentieren, lehnte die Internetdiskussion aber bereits zu Beginn ab.

Mit den christlichen Kirchen stecke derzeit eine vom Senat eingesetzte politische Arbeitsgruppe die Grundsätze für die Reform ab, erklärt Karla Götz, Sprecherin der Bildungsbehörde. Vertreter anderer großer Religionen kämen später hinzu. Die Forums-Abstimmung diene der Arbeitsgruppe als „internes Material“, um den BGU „zeitgemäß zu gestalten“, so Götz. Und zwar ohne Verfassungsänderung. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse sei nicht geplant.

Manfred Spieß von der Uni Bremen und Vorsitzender der „Aktionsgemeinschaft Biblische Geschichte/Religionskunde“ ist darüber enttäuscht: „Öffentliches Geklappere“, eine Plattform „zum Austoben“ sei das Forum gewesen. Er kritisiert vor allem, dass in die Gremienarbeit die Fachlehrerschaft bislang nicht einbezogen werde. „Man beschwichtigt uns, wir würden hinterher informiert“, sagt Spieß.