Platzverweis für Juristin wegen Kopftuchs

SPANIEN Richter zwingt Anwältin marokkanischer Herkunft, den Gerichtssaal zu verlassen. Während der Justizminister das Vorgehen verteidigt, spricht ein Anwaltsverein von klarem Verstoß gegen die Normen

MADRID taz | Spaniens Justiz hat einen Kopftuchstreit. Die Rechtsanwältin Zoubida Barik Edidi fühlt sich diskriminiert. Richter Javier Gómez Bermúdez, der aus dem Verfahren um die Anschläge auf die Pendlerzüge von Madrid am 11. März 2004 bekannte Strafrichter an der Audiencia Nacional, verwies die Anwältin marokkanischer Abstammung am 29. Oktober des Gerichtssaals. Barik Edidi trug zur Anwaltsrobe ein Kopftuch. Jetzt hat sie den Richter vor der Justizaufsicht angeklagt. Der Verweis sei „eine willkürliche Ausübung der richterlichen Macht“, begründet Barik Edidi die Klage.

„Señora, Sie können hier nicht bleiben“, lautete die Anordnung von Richter Gómez Bermúdez an jenem Tag. „Das ist mein Saal, und hier bestimme ich“, bekam Barik Edidi als Begründung zu hören. Die muslimische Anwältin, die einen Kollegen im Verfahren gegen mutmaßliche, radikale Islamisten, die Selbstmordattentäter für den Irak angeheuert haben sollen, unterstützte, staunte nicht schlecht. Denn es war bereits der zweite Prozesstag, an dem sie mit ihrem Kopftuch auf der Anwaltsbank saß. „Er hat mir ein Grundrecht verweigert, ohne Kopftuch kann ich nicht Anwältin sein“, sagt die gläubige Muslimin.

Barik Edidi, die seit 1994 in Spanien lebt, hat in der marokkanischen Hauptstadt Rabat Jura studiert. In Spanien betreute sie Frauen, bevor sie in einem Zusatzkurs die Zulassung für spanische Gerichte erhielt.

Es war nicht der erste Zwischenfall dieser Art im Verfahren des Vorsitzenden Richters Gómez Bermúdez. Wenige Tage bevor er die Anwältin Barik Edidi des Saales verwies, versuchte eine Zeugin in Burka auszusagen. Gómez Bermúdez verbat sich dies, denn die Reaktionen auf seine Fragen seien zur Wahrheitsfindung wichtig. Dazu müsse er das Gesicht der Zeugen sehen. Unter Androhung einer Ordnungsstrafe sagte die Schwester eines Selbstmordattentäters im Büro von Gómez Bermúdez aus – ohne Burka und ohne Zuschauer.

Anwältin Barik Edidi wird bei ihrer Klage von einem der spanischen Anwaltsvereine, der Vereinigung „Vorrang dem Recht“, unterstützt. Der Richter habe ganz klar „gegen die Normen verstoßen“. Im Gesetz sei nirgends von der Kopfbedeckung der Anwälte die Rede. Die Verteidiger seien nur verpflichtet, eine Robe zu tragen. Selbst der Krawattenzwang wurde 2001 abgeschafft.

Der sozialistische Justizminister Francisco Caamaño verteidigt Gómez Bermúdez. Er sei davon „überzeugt“, dass der Richter „geltendes Recht vollkommen richtig angewandt“ habe. Caamaño sprach sich gegen eine Bestimmung aus, die das Tragen von Kopftüchern und anderen religiösen Symbolen in öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich regelt. Er verlasse sich ganz auf „die Kriterien der jeweiligen Verantwortlichen“. Die Aussagen des Justizminister seien „verantwortungslos“, hält „Vorrang dem Recht“ dagegen. Caamaño rufe „zur Diskriminierung muslimischer Anwältinnen und zur Einmischung in ihre Kleiderordnung auf“. REINER WANDLER