Rechtsextreme: Dokument der Ahnungslosigkeit

Der Senat legt auf Nachfrage der Linkspartei eine Statistik über rechtsextreme Gewalt vor. Die beleuchtet weniger die Sache als das Unwissen des Senats.

Geht auch friedlich: NPD-Infostand in Blankenese, noch zu Lebzeiten von Parteichef Jürgen Rieger (M.). Bild: Andreas Speit

Es hat den Anschein, als kümmere sich der Senat nicht genügend um rechtsextreme Gewalt. In einer jüngst veröffentlichten Statistik fehlen diverse Übergriffe, obwohl in den Medien über sie berichtetet wurde und in einem Fall sogar ein Strafverfahren lief.

"Ein Skandal", sagt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, die Mitte November eine kleine Anfrage zu "neonazistischer Gewalt in Hamburg" gestellt hatte. Anlass war der brutale Angriff von einem NPD-Sympathisanten auf einen Portugiesen am 17. November (taz berichtete). In der Antwort des Senats fehlt der Vorfall, da die Erfassung nur vom 1. Januar bis 31. Oktober reicht.

Für diesen Zeitraum führt die von Christoph Ahlhaus (CDU) geleitete Innenbehörde 39 rechtsextreme Gewalttaten an. Nicht aufgelistet ist dabei ein Übergriff vom 7. März. Bei einem NPD-Infostand in Billstedt hatte der NPD-Kader Raphael Niemann mit Kameraden auf friedliche Gegendemonstranten eingeschlagen. Das Amtsgericht ging von der Schuld Niemanns aus. Unerwähnt in der Statistik bleibt auch, dass NPD-Mitglieder auf zwei Frauen in Barmbek einschlugen. Von einem NPD-Infostand griffen sie am 17. August die Frauen an. Eine erlitt eine Gehirnerschütterung. Unterschlagen wird auch der Angriff auf einen britischen Vater vom 22. August. Er hatte in Bramfeld bei einer NPD-Flugblattverteilung vor den Augen der Rechten einen Werbeflyer zerrissen. Drei Rechte schlugen auf ihn ein - im Beisein seiner Frau und seines kleinen Sohnes.

Die Innenbehörde lässt aber nicht nur diese Vorfälle unerwähnt. Sie drückt sich auch, Fragen zu beantworten. So bleibt offen, wie viele Ermittlungsverfahren gegen Rechtsextreme liefen, wie viele Verfahren eingestellt wurden oder welche genauen Tathintergründe vorlagen. Die Antwort des Senats: "Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst". Der benötigte Verwaltungsaufwand einer Einzelfallauszählung zur Beantwortung der kleinen Anfrage sei im Hinblick der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

Diese Daten würden aber einen genaueren Überblick über die rechten Straf- und Gewalttaten in der Elbmetropole liefern. Die Innenbehörde verweist auf die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft, die dem GAL-Innensenator Till Steffen unterstellt ist, hat auch für 2009 die Akten ausgewertet. Diese Statistik birgt in sich aber eine andere Verzerrung. Sie beruht alleine auf den übermittelten polizeilichen Aktenzeichen. Erstellt die Polizei keine Akte, kann die Tat statistisch verloren gehen.

In anderen Bundesländern veröffentlichen die Innenministerien genauere Statistiken, um die Dimension rechter Straf- und Gewalttaten erkennen zu können. "Der Innensenator ist nicht bereit, detaillierte Auskunft über die Ermittlungsverfahren gegen neonazistische Gewalttäter zu geben", glaubt Christiane Schneider. Antje Möller, Sprecherin der GAL für Inneres, beschönigt nichts. "Da ist ein Defizit in der Statistik. Dass bei der Erfassung der Opfer ein möglicher rassistischer oder rechtsextremer Tathintergrund nicht erfolgt, muss diskutiert werden".

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