Von Beust bedeckt seine Blöße

Drei Wochen vor der Wahl bilanziert der Bürgermeister sein Programm „Lebenswerte Stadt“. Zwar leugnet er, dass Hamburg sozial gespalten sei. Etwas dagegen unternehmen will er trotzdem

VON KAIJA KUTTER
UND GERNOT KNÖDLER

Tue Gutes und Rede darüber. –Getreu diesem Motto hat Ole von Beust gestern noch einmal in Form einer Zwischenbilanz das vor Jahresfrist beschlossene Maßnahmenpaket „Lebenswerte Stadt Hamburg“ der Öffentlichkeit präsentiert. Es besteht aus einer Bildungs- und Familienoffensive im Wert von 80 Millionen Euro und einer Quartiersoffensive für 10 Millionen Euro. Im Wesentlichen korrigiert der Senat damit frühere Kürzungen.

Größter Posten sind die kleinen Klassen. Wie von Beust versprochen hatte, wurde tatsächlich an jenem Drittel der Grundschulen, das einen ungünstigen Sozialindex hat, die Zahl der Kinder pro erste Klassen auf 19 gesenkt. Bis 2010 kommen drei weitere Einschulungsjahrgänge in diesen Genuss, wofür 200 Lehrerstellen im Wert von 34 Millionen Euro nötig sind.

„Zum Vergleich: 2001 lag die Durchschnittsfrequenz bei 23,1 Schülern“, sagte von Beust, ohne rot zu werden. War doch unter dem Wirken seiner Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) die Klassengröße auf durchschnittlich 28 Kinder und teilweise über 30 hochgeschnellt.

Um eine ähnliche Reparatur handelt es sich bei den neuen 30 Erzieherstellen für Grundschulen, die ganztags unterrichten, was jährlich 1,5 Millionen Euro kostet. Hier handelt es sich um ein Abpuffern der 60 prozentigen Kürzung der alten Ganztagsschulen, die nunmehr nur noch die älteren Schüler in voller Härte trifft. Und auch die dritte Bildungsoffensive, der kostenlose Vorschulplatz für rund 1.600 Kinder mit Sprachförderbedarf, Kostenpunkt 500.000 Euro, ist nur eine Milderung der kurz zuvor eingeführten Vorschulgebühr.

Ganz neu in ihrer Art sind die 22 Eltern-Kind-Zentren an Kitas. Doch auch diese betreuten Krabbelgruppen entschärfen im Prinzip nur die Folgen des Kita-Gutscheinsystem, das Kindern nicht-berufstätiger Mütter den Zugang zu Krippen verwehrt.

Von Beust wandte sich dagegen „Stadtteile schlecht zu reden“. In Hamburg gebe es keine „soziale Spaltung“, im Gegenteil seien „alle Hamburger stolz auf ihre Stadt“. Trotzdem sah er sich gezwungen, auch bei der sozialen Stadtteilentwicklung das Ruder herumzureißen. Der Senat stellte für das vergangene Jahr zehn Millionen Euro zur Verfügung, mit denen 94 Projekte in sechs ausgewählten Stadtteilen finanziert werden sollten. Darunter waren Tanztheater für Schüler, Elternkurse für Migranten und ein interkulturelles Seniorenprojekt in Wilhelmsburg, eine „Kulturküche“, die das Kochenlernen mit interkultureller Begegnung verbindet in Altona und eine Hip-Hop-Akademie in Billstedt. Allerdings sind nach einer Aufstellung der GAL 2007 nur drei der zehn Millionen Euro in Projekte umgesetzt worden.

„Uns ist deutlich geworden: Die Menschen leisten in ihren Quartieren unheimlich viel“, sagte von Beust. Der Ansatz, Menschen zu ermutigen, sich für ihr Quartier zu engagieren, sei richtig gewesen. Er wolle die Quartiersoffensive deshalb fortsetzen und auch in Zukunft pro Jahr zehn Millionen Euro in Stadtviertel mit Schwierigkeiten stecken. Damit gebe der Senat 31 Millionen Euro jährlich für die soziale Stadtentwicklung aus, während es unter Rot-Grün nur 29 Millionen gewesen seien.

Der Bürgermeister räumte ein, dass sein Senat nach Regierungsübernahme bei der sozialen Stadtentwicklung gekürzt habe. Die CDU habe ein strukturelles Haushaltsdefizit von 700 Millionen Euro übernehmen müssen. „Die Haushaltssanierung war Priorität Nummer eins.“

Durch das jetzige Programm würden „lediglich durch die CDU selbst erzeugte Probleme kompensiert“, stellte die GAL fest. Das Programm sei zu klein und zu beliebig. „Wir brauchen Qualifizierung und Jobs durch massiven Einsatz von Arbeitsmarktmitteln und lokale Wirtschaftsförderung, kombiniert mit Quartiersmanagement und Bürgerbeteiligung“, sagte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Auch die SPD verlangte einen umfassenden Ansatz: „Der Einsatz von Mitteln der Arbeitsmarktpolitik muss mit der sozialen Stadtteilentwicklung verzahnt werden“, sagte ihr Stadtentwicklungsfachmann Jan Quast.